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Was machen wir heute?: Ein Märchen erleben

A. hatte sich große Mühe gegeben, diesen märchenhaften abgelegenen Ort zu finden.

A. hatte sich große Mühe gegeben, diesen märchenhaften abgelegenen Ort zu finden. „Wir sollten uns mal wieder was Besonderes gönnen“, hatte sie gesagt und sich auf die Suche gemacht.

Der ganze schöne Plan war dahin, bevor der Tag begann. Ein Kollege hatte einen runden Geburtstag gefeiert, es wurde spät. Soll ich den Wecker stellen?, fragte A. Wir brauchen sehr selten einen Wecker. Wir sind vermutlich die weltweit einzigen „Senile Bettflucht“-Patienten in unserem Alter. Selbst Partys, die bis früh morgens dauern, helfen nicht dagegen.

Als ich aufwachte, war es kurz nach elf. Ich hielt das für eine Laune des Weckers, doch die Uhren in Küche und Bad waren auf seiner Seite. Dann können wir uns den Ausflug sparen, sagte A. Sie hatte recht, bis wir an diesem Ort wären, wäre es fast schon wieder Zeit, zurück nach Berlin zu fahren. Nur ihr Ton passte mir nicht. Der Ton sagte: „Du hättest einfach sagen können, dass ich den Wecker stellen soll.“

Ich überlegte, ob ich beleidigt sein sollte. Sie war noch nach mir aufgewacht. Der schöne Plan war futsch. Und ich sollte einen chancenlosen Ersatzvorschlag machen. „Park? Wir sind in fünf Minuten da.“ Ich bemühte mich, es so klingen zu lassen, dass in der Schwebe blieb, ob ich es ernst meinte oder ironisch. Denn mir fiel auf die Schnelle nichts Besseres ein. „Gut“, sagte A. „In zwei Minuten bin ich fertig.“

Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich verachtete mich für meine Achtlosigkeit. Der Gedanke, einen halben Quadratmeter Rasen mit sieben Fremden zu teilen, quälte mich. Ich suchte nach einem Vorwand, das Unvermeidliche noch zu verhindern. Ich fand keinen. Mir fiel ein Film ein, den wir gerade gesehen hatten. Er spielt in der Uckermark. Die Idylle dort ist eine Fassade. Schicksale werden erschüttert, Gewissheiten und Bindungen lösen sich auf. Mich befiel eine Sehnsucht. Nicht nach Zerfall, nach Einöde. Ich wurde erhört. Der Park war menschenleer, das Seeufer frei. Kaum jemand im Biergarten. Ein Feiertag bei schönstem Wetter in Berlin. Märchenhaft. Marc Neller

Dieses Mal kein Tipp, sorry. Ich weiß ja auch gar nicht, von wem ich erhört wurde.

Marc Neller

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