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Was machen wir heute?: Einen Laden betreten

Alles klafft immer weiter auseinander. Während beispielsweise die Kinder in Problembezirken immer dicker werden, werden Societyladies in Lech am Arlberg immer dünner.

Alles klafft immer weiter auseinander. Während beispielsweise die Kinder in Problembezirken immer dicker werden, werden Societyladies in Lech am Arlberg immer dünner. Auch Ladenöffnungszeiten driften auseinander. Im Supermarktkettensegment gibt es heute kaum noch eine Filiale, die unter 15 Stunden am Stück geöffnet ist. Dem gegenüber breitet sich bei den Ich-und-mein-kleiner-Laden-Leuten die Lust an der hochindividuellen Bereithaltepolitik aus. Ich kenne Accessoire- und Modelädchen, die unregelmäßig und nie vor zwölf Uhr öffnen, erinnere mich an einen Bäcker, der um 15 Uhr öffnete (der Betreiber wechselte inzwischen), sowie eine Yogabekleidungsboutique, an deren Tür die Besitzerin geschrieben hatte:  „Geöffnet ist, wenn ich da bin.

Wer das Pech hat, sich für die Angebote dieser Geschäfte zu interessieren, braucht Geduld oder einen Dietrich.

In der Blücherstraße gibt es einen kleinen Second-Hand-Laden. In dessen Fenster hängt seit einigen Wochen eine weiße Jacke, über die ich gerne mehr erfahren wollte. Aber das gelang mir nicht. Ich kam nicht hinein. Montags war immer zu, an anderen Tagen laut Öffnungsplan ab 14 Uhr auf, aber der stimmte nicht. Eines Tages klebte eine Handynummer an der Tür. Da solle man bitte anrufen, falls man sich für die Sachen aus dem Laden interessiere. So weit kommt es noch!, dachte ich empört. Hast du nun einen Laden oder nicht? Aber das hielt ich nicht lang durch und rief die Handynummer an. Das Handy war ausgeschaltet. Wenn man sich für die Sachen im Laden interessiere, könne man seine Nummer hinterlassen. Ich legte auf.

In Wirklichkeit brauche ich natürlich keine weiße Jacke. Wahrscheinlich ist sie sogar doof. Aber die vielen Wochen, in denen ich von ihr ferngehalten wurde, haben das Flämmchen ersten Interesses in einen australischen Buschbrand verwandelt. Jetzt will ich das blöde Teil wenigstens anprobieren. Dann hing ein neuer Zettel im Fenster. „Öffnungstag: 29.3., 15 bis 19 Uhr.“ Das ist heute. Ich werde da sein. Ariane Bemmer

„Next Door“, Blücherstraße 50, Kreuzberg

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