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Was machen wir heute?: Eltern erziehen

In Prenzlauer Berg haben Eltern nicht mehr viel zu sagen. Da haben die Kinder das Kommando übernommen.

In Prenzlauer Berg haben Eltern nicht mehr viel zu sagen. Da haben die Kinder das Kommando übernommen. Kürzlich las ich, dass sich darauf auch die Makler eingestellt haben. In den familiengerechten Wohnungen, die sie verkaufen wollen, sind sie dazu übergegangen, vor Besichtigungsterminen Spielzeug in den Zimmern zu verteilen, um die Immobilie so kindgerecht wie möglich erscheinen zu lassen. Das ist der Erfahrung geschuldet, dass letztlich eh die Kinder die Kaufentscheidung treffen. „Und, Julian-Philipp, was meinst du? Würdest du dich hier wohlfühlen?“ Klar, dass ein Jung-Prenzlauer-Berger, der gerade am Drücker einer Carrerabahn sitzt, auf der die Rennwagen durch zwei Zimmerfluchten sausen, die Wohnung am liebsten gar nicht mehr verlassen möchte. Und wenn es um das Kindeswohl geht, spielt der Quadratmeterpreis am Ende auch keine Rolle mehr.

Bei uns in Kreuzberg ist das anders. Hier haben Vater und Mutter noch das Sagen. Klein-Greta hat das bisher nur nicht richtig verstanden. Unsere dreijährige Tochter hat zurzeit ganz andere Vorstellungen, wann es Zeit ist, zu Bett zu gehen. Nachdem die Gute-Nacht-Geschichte gelesen, das letzte Lied gesungen und der Kuss zur Schlafenszeit gegeben ist, sitze ich kaum eine Minute vor der Tagesschau, da geht die Wohnzimmertür wieder auf und Greta setzt sich zu mir aufs Sofa, zieht sich die gemütliche Decke über die Knie und verkündet: „Ich darf auch gucken.“ Und was Greta sich einmal genehmigt hat, ist mit Ermahnungen, Machtworten, Drohungen und mehrmaligem Zurückinsbetttragen nicht zu verhindern. Am Ende siegen aber doch die Eltern. Nach einer Stunde hat die Müdigkeit Gretas Widerstandswillen gebrochen und sie ist eingeschlafen.

Es heißt ja immer, Kinder erziehen sich eigentlich von allein – und uns Eltern gleich dazu. Zum Glück gibt es in Berlin immer mehr Ganztagsschulen. Schon komisch, dass dort überhaupt noch irgendwer freiwillig Lehrer werden will. Stephan Wiehler

Hilfen zur Erziehung gibt es in den Beratungsstellen der bezirklichen Jugendämter.

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