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Was machen wir heute?: Finanzströme missverstehen

Wie ein Ost-Berlinerdie Stadt erleben kann

Von David Ensikat

In dem Haus, in dem ich einmal wohnte, gab es einen Lebensmittelladen, der hieß Spar. In der Hauswand neben dem Laden steckte ein Geldautomat von der Sparkasse. Das war gut, denn es war verständlich. Meine Tochter mochte den Spar-Laden wegen der schönen Dinge, die neben der Kasse im Regal lagen, bei denen es immer hieß: Nein, heute kaufen wir mal nichts davon. Dann musste sie nur ein kleines bisschen weinen, und schon kauften wir was davon. Das Geld, das wir für die schönen Dinge hergeben mussten, hatten wir zuvor aus dem Automaten neben dem Laden gezogen. Der Zusammenhang war klar, Sparkasse, Sparladen, die Tochter nannte den Automaten: Sparkasten.

Dann kam die Handelskette namens Spar in Zahlungsschwierigkeiten, keine Ahnung weshalb, an uns kann es nicht gelegen haben. Edeka übernahm die Filialen, und wir hatten einen Edeka-Laden im Haus. Der Sparkassen-Automat blieb was er war, ein roter Sparkasten. Sie hätten ihn gelb anmalen müssen, dann wäre es ein Edekasten geworden. Im Sinne der Geldflusstheorie meiner Tochter wäre das logisch gewesen. Aber die Finanzwelt ist nicht logisch, sie folgt eigenen, geheimen Gesetzen. Meine Tochter hat das damals begriffen.

Ich begreife es jetzt. Damals, die Sache mit dem Laden und dem Automaten, die meinte ich zu durchschauen. Aber wer weiß, womöglich war die Spar-Edeka-Transaktion ein Vorbote der heutigen Wirtschaftskrise, nur die Sparkasse tat so, als sei nichts geschehen, typisch Bank. Heute weiß überhaupt niemand mehr, worum es geht, soll mir niemand erzählen, dass jene, die sagen, die Banker hätten sich in Dinge verstrickt, die sie selbst nicht verstünden, mehr verstehen. Zahlen spielen keine Rolle mehr, nur noch die Anzahl der Nullen hinter den Zahlen.

Die Tochter wünscht sich zu Weihnachten ein Sparschwein. Wie das funktioniert, konnte ich ihr erklären. David Ensikat

Let’s Make Money, ein Dokumentarfilm über den Kapitalismus, läuft noch in vielen Berliner Kinos.

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