zum Hauptinhalt

Was machen wir heute?: Friseurkunst erleben

Nicht in Berlin zu leben, war gar nicht so schlimm. Manchmal hörte man mich in den letzten Jahren sogar raunen, die Provinz sei doch das wahrhaft Exotische, der ultimative Thrill.

Nicht in Berlin zu leben, war gar nicht so schlimm. Manchmal hörte man mich in den letzten Jahren sogar raunen, die Provinz sei doch das wahrhaft Exotische, der ultimative Thrill. Doch so mutig, in meiner Zwischenheimat Halle an der Saale zum Friseur zu gehen, war ich auch wieder nicht. Also alle drei Monate mit dem ICE nach Berlin, zu Kerstin natürlich. Kerstin macht eigentlich nichts Besonders – außer die Haare genau an der richtigen Stelle abschneiden. Es dauert weniger als fünf Minuten und hinterher sieht keiner was. Perfekt!

Kerstin wechselt öfter den Arbeitgeber, und ich folge ihr seit Jahren: vom Savignyplatz zum Hackeschen und von dort zum Gendarmenmarkt. Im Salon von Shan Rahimkhan, wo sie zur Zeit die Schere schwingt, ist schon das Waschen ein Erlebnis. Die Kundschaft schreitet zur Waschbeckenempore eine Treppe hinauf, nimmt in einem Ganzkörpermassagesessel Platz und betrachtet Videos von geselligen Eisbären. Dann geht Kerstin ihrem Handwerk nach, bevor man zum Zahlen über eine weitere Showroomtreppe schreiten darf. Erst hoch, dann runter. Nicht logisch, aber beeindruckend. Wie mochte es da erst in den wahren Szenekiezen zugehen? Auf der Suche nach dem Exotischen, nach dem ultimativen Thrill begab ich mich nach Neukölln, in den Salon Kessler. „Einmal waschen und föhnen“ rief ich in den getäfelten Raum, und Frau Kessler ging energisch ans Werk. „Pfirsich, Mandel oder Ei?“ fragte sie vorm Waschen. Anschließend griff sie zu Föhn und Rundbürste. „Wie soll’s denn nun sein, junge Frau?“ – „Vielleicht ein wenig nach innen gewellt.“ – „Also Locken!“

„Hast du jetzt eine Dauerwelle?“ fragten meine Kollegen erstaunt, als ich wieder im Büro war. Andere erkannten mich gar nicht mehr. Also bitte: Geföhnt wird nirgends so wie in Neukölln! Kirsten Wenzel

Teure, manchmal auch gute Friseursalons hat Berlin viele, zum Beispiel Shan Rahimkhan, Taubenstraße 19. Wer wirklich etwas erleben will, besucht die kleinen Läden im Kiez. Zum Beispiel Martina und Klaus Kessler, Damen & Herren-Salon, Pannierstraße 29.

Kirsten Wenzel

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false