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Kultur: Was machen wir heute?: Gelassen sein

Es gibt Tage, da will man einfach nur seine Ruhe. Keine Termine, keine Telefonate und vor allem niemanden, der nervt.

Es gibt Tage, da will man einfach nur seine Ruhe. Keine Termine, keine Telefonate und vor allem niemanden, der nervt. Ich weiß ja nicht, was die Astrologen dazu sagen, aber ich bin überzeugt: Heute ist so ein Tag. Deshalb gibt es diesmal auch nur einen Anti-Tipp, einen Rat, wie man dem vollen Berlin-Programm entkommen kann.

Seit ein paar Wochen ist es ja wieder modern geworden, nachts auf der Straße herumzulungern, bis die Polizei kommt. Vor zwei Kneipen an der Veteranenstraße in Mitte ("Bergstübl" und "Magnet Mitte"),, "stehen an die 300 Menschen mit der Bierflasche in der Hand und öden sich an" - wohl gerade deshalb haben die zwei Kneipen eine große Zukunft. Die Formulierung stammt nicht von mir, sondern von einem sehr guten Freund, der sonst keine so

harten Worte findet, wenn es um ihn selbst und seine nächtlichen Beschäftigungen geht. Er spottet über die vielen Menschen, die ohne jedes Ambiente auf dem Bürgersteig Platz finden müssen, weil er drinnen nun mal fehlt. Womöglich ist mein sehr guter Freund aber auch nur wehmütig, weil er sich erinnert, wie es vor ein paar Jahren mal war in Mitte.

Lange Zeit haben wir nur zugeschaut, wie eine neue Bar nach der anderen immer edler zu werden begann. Plötzlich aber ist eine Retro-Welle zu spüren, die das Nachtleben von Mitte erfasst. Es gibt wieder Bars für nur eine Nacht, provisorisch im grünen Gestrüpp aufgebaut, hinten strahlt der Fernsehturm, vorn strahlen die vorbeirauschenden und nichts ahnenden Touristen. Ein paar lose Stühle zusammengestellt; Wasser, Wein und Bier im Angebot - fertig ist das relaxte Beisammensein.

Nur ein empfindlicher Nachbar vom Seitenflügel kann sich über die Musik beklagen, die der neue Trend zu uns nach Hause herüberträgt, und wenn die Polizei dann auch noch auf der Wiese steht, weiß man plötzlich wieder, wie es war, damals im Mitte der 90er Jahre, als jeder Club vor allen Dingen eines war: illegal.

Da fragt man sich schon, warum man die öden Brachflächen zwischen den halb sanierten Häusern in letzter Zeit so konsequent ignorierte und nur die cremefarbenen Polster der neuesten Lounges testen wollte. Klappstuhl unterm Sternenhimmel (ja, auch den gibt es in Berlin!) - das ist doch viel schöner.

Noch etwas anderes haben wir viel zu lange unterschätzt: Brunnen und Wasserspiele. Unsere hochverschuldete Stadt hat an ihnen ganz entscheidend sparen müssen. Stillgelegt warten sie auf ihre Sanierung durch einen privaten Investor oder tröpfeln noch zaghaft vor sich hin. Dem Märchenbrunnen im Volkspark Friedrichshain, sicher eine der

romantischsten Anlagen Berlins, haben vor einiger Zeit auch noch Saboteure die Märchenfiguren

zerschlagen. Obwohl die meisten Plastiken jetzt aufgearbeitet werden und deshalb fehlen, hat der Brunnen nur wenig von seinem Liebreiz eingebüßt. Da nichts unbeschwerter ist als flirrende Wassertröpfchen samt ihrer kleinen Regenbogen, ist der Märchenbrunnen der ideale Ort, ein klein wenig Berliner Gelassenheit zu üben.

Britta Wauer

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