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Kultur: Was machen wir heute?: Grillen lassen

Bin ratlos. Das ist komisch, denn Ratlosigkeit gehört an sich nicht zu meinen auffälligsten Wesenszügen.

Bin ratlos. Das ist komisch, denn Ratlosigkeit gehört an sich nicht zu meinen auffälligsten Wesenszügen. Bin eher überdreht, ausgebufft, hab alles gesehen, alles erlebt, weiß nicht nur, wo Gott wohnt, sondern hab ihn sogar schon mal interviewt. Dachte ich jedenfalls. Und jetzt das - Ratlosigkeit pur.

Es geht, kurz gesagt, ums Grillen und die Frage, wie man dabei lässig bleibt. Früher, als ich noch in der Weltstadt Wien lebte, war das relativ einfach. In Wien grillt man nämlich nicht, es sei denn, man ist Proll mit kurzem Feinripp-T-Shirt und enormem Bier-Konsum. Für schicke urbane Menschen aber herrscht in Wien ein absolutes Grill-Verbot. Ich jedoch grillte wie der Teufel, denn was gibt es Lässigeres als alle Regeln der Lässigkeit außer Acht zu lassen.

Kaum war das Wetter einigermaßen akzeptabel, wanderte mein sündhaft teurer verchromter Säulengrill auf die Dachterrasse, und mindestens einmal die Woche mussten die Freunde antanzen, um sich von mir persönlich den Magen verderben zu lassen. Steaks, Keulen, Scampi - alles mussten sie verdrücken. Besonders gefürchtet waren meine Käsekrainer, das sind etwas größer geratene Bockwürste mit Käsefüllung. Wer jemals eine gegessen hat, wird süchtig danach. Allerdings muss er damit rechnen, dass ihm spätestens nach der zweiten der Magen durchbricht.

Anfangs hassten mich meine Freunde. Aber irgendwann erkannten sie dass die Grillabende als Zitat zu sehen waren. Sicher kennen Sie das von der Mode: Heute tragen die Leute Vokuhila, vorne kurz, hinten lang, nicht weil sie es schick finden, sondern weil sie zeigen wollen, dass sie sich selbst nicht ernst nehmen. Den schrägen Touch unterstrich ich mit permanentem Abspielen alter Falco-Songs. Wie gesagt - ich habe Gott interviewt.

In Berlin ist das alles anders, daher die Ratlosigkeit. Hier grillen alle. Die Türken im Tiergarten, die schicken Menschen irgendwo im Osten. Sogar meinen guten Chrom-Säulengrill kann ich einpacken, seitdem ich auf meiner bislang letzten Grillparty in Prenzlauer Berg war. Die Kumpels dort haben einfach ein altes Ölfass entflammt und Würstchen reingehalten. Muss neidvoll sagen - das war todschick, auch wenn die Würstchen ziemlich verbrannt waren. Den letzten Rest gab mir dann kürzlich der "Stern", der mich sonst selten aus der Bahn wirft. Die machten doch tatsächlich ein "Volkssport Grillen"-Cover. Bin ich sportlich? Bin ich Volk? Sinnkrise. Kürzlich habe ich mit einem Freund über das Drama gesprochen, und der zeigte mir einen gangbaren Ausweg. Er meinte, ich solle meinen Grill wegwerfen und nur noch grillen lassen. Anfangs fand ich die Idee bescheuert, doch als ich dann mit ihm den Pavillon im Weinberg-Park aufsuchte und meine erste professionell gegrillte Bratwurst verdrückte, sah ich das alles etwas differenzierter. Kann aber auch sein, dass das an dem vierten Schöfferhofer Weizen lag, das mit der zweiten Bratwurst kam.

Markus Huber

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