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Was machen wir heute?: Heimweh haben

Wie ein Vater die Stadt erleben kann - ihr einfach mal den Rücken kehren.

Hurra, endlich Ferien! Wir packen unsere Koffer und die Kinder ein und fliegen nach Sardinien. Dann nehmen wir unsere Nonna und fahren in unser Haus am Strand, wo die Tage dahin fließen wie Zabaione in der Sonne. Vormittags gehen wir ans Meer; während die Kinder im Wasser planschen, döse ich im Holzstuhl unter dem Sonnenschirm, bis meine Frau mich weckt, damit wir rechtzeitig an Nonnas Mittagstisch auf der Terrasse sitzen. Dazu ein Glas Wein, das dämpft das Meeresrauschen während der Siesta unter den Zypressen. Und anschließend wieder zum Strand, bis der Abendhunger nach Hause ruft. So kann es gehen tagein, tagaus, bis Emma und Klein-Greta Schwanzflossen gewachsen sind. Süße Einfalt.

Aber für alle, die daheim bleiben, gibt es einen Trost: mein Heimweh nach Berlin. Wie schade, dass man als Vater schulpflichtiger Kinder und Mann einer Lehrerin gerade dann wegfahren muss, wenn die Stadt Ferien macht – von den Berlinern. Wenn kaum Autos auf den Straßen unterwegs und an jeder Ecke Parkplätze zu haben sind. Wenn Prenzlauer Berg familienfrei ist, wenn man ohne Biokostterror und böse Blicke von jungen Müttern eine öffentliche Currywurst verspeisen darf, das verlassene Regierungsviertel, wo sich Schweigen ausbreitet, die kühlen Sommerabende im Rollkragenpulli unterm Heizpilz, wenn das Herbstlaub Anfang August einen bunten Teppich auf der regennassen Straße bildet. Wie erfrischend, an Berlin zu denken, wenn bei 40 Grad im Schatten die Löschflugzeuge den heißen Sand aufwirbeln und dröhnend über dem Strand aufsteigen, um ihre schwere Last über den brennenden Hügeln Sardiniens in weißen Dampf zu verwandeln. Dann bekomme ich Sehnsucht nach dem frischen, feuchten Grün des Viktoriaparks. Wie erfrischend, an Berlin zu denken, wenn mein schweißfeuchter Blick über die Klatschblätter fliegt, die meine Frau im Sand liegen lässt, mit Berlusconis Bikinimädchen auf den Titelseiten. Dann sehne ich mich nach der Berliner Republik, nach Angela Merkel und Klaus Wowereit. Zu Hause ist es doch am schönsten. 

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