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Was machen wir heute?: Inhalieren

Wie ein Ost-Berlinerdie Stadt erleben kann

Von David Ensikat

Das sind Details, die gehören nicht in die Zeitung, bislang habe ich mich an das Schweigegebot gehalten. Bei dem Thema geht es um den Bruch der Intimsphäre, der Schaden wäre größer als der Nutzen. In diesem Fall aber liegt es anders. Hier geht es um höhere Dinge, sie berühren die Sphäre des Politischen. Also sage ich es rundheraus: Es war ein Sonntagabend, es regnete – ich stand im Freien und habe geraucht. Die Zigarette trug einen französischen Namen, enthielt 0,6 mg Nikotin sowie 10 mg Kohlenmonoxid. Ich war nicht der einzige. Zu der Runde gehörten noch zwei Männer und eine Frau, allesamt rauchend.

Selbstverständlich sollte man über eine Raucherrunde kein Wort verlieren. Wem ist damit gedient, wenn so unvernünftiges, gesundheitsschädigendes Tun an die Öffentlichkeit gerät? Womöglich kommt es zu Nachahmereffekten. Doch die Bedenken sind hintanzustellen. Denn unser Gesprächsthema lautete: Oskar Lafontaine und seine Liaison mit der „schönen Kommunistin“ Sarah Wagenknecht. Der „Spiegel“ hatte sich dazu durchgerungen, das Gerücht öffentlich zu machen – wegen der politischen Brisanz der Affäre. Wir erörterten die Brisanz und stimmten überein: Sie ist vorhanden. Wir besprachen, was zu tun sei: Ein Spiegel-Geschenkabonnement für die Rosa-Luxemburg-Stiftung? Eine „Hände weg von Wagenknecht“-Kampagne? Doch wir merkten schnell: Die Angelegenheit war uns zu sehr unter die Haut gefahren. Wir beschlossen, Zeit vergehen zu lassen. Die Gemüter sollten sich beruhigen. Wir zogen noch mal tief an den Zigaretten, begaben uns zurück ins Warme und versuchten, den Abend in gelöster Atmosphäre fortzusetzen. Es wollte nicht gelingen. Die Rauchpause lag wie ein Schleier über jedem Gespräch.

Was bleibt? Die Dinge benennen. Den Diskurs suchen. Öffentlichkeit herstellen. Jawohl, wir haben geraucht – und inhaliert. Die politische Gemengelage zwingt uns, offen damit umzugehen. David Ensikat

Hier gibt es nichts zu rauchen, aber weiteren politischen Diskussionsstoff: www.die-linke.de

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