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Kultur: Was machen wir heute?: Japan träumen

Urlaubszeit ist Reisezeit ist Fragezeit. "Wohin fährst Du denn dieses Mal", wollen die Leute gespannt wissen.

Urlaubszeit ist Reisezeit ist Fragezeit. "Wohin fährst Du denn dieses Mal", wollen die Leute gespannt wissen. Jahr für Jahr. Sommer für Sommer. Immer die gleiche Frage. Und immer die gleiche Antwort. Zumindest bei mir.

"Ich fahre nach Russland", sage ich. Aha. Die Leute nicken. Sie schmunzeln. Sie setzen ein Gesicht auf, als hätten sie nichts anderes erwartet, aber etwas anderes erhofft. Same procedure as every year.

Nun gut. Dass ich jährlich meinen Urlaub in Russland verbringe, hat wahrscheinlich etwas damit zu tun, dass ich mich dort wohl fühle. Ich spreche die Sprache. Ich kenne mich gut aus. Ich erlebe immer etwas Neues. Das Land ist groß, es gibt viel zu sehen. Jedes Mal denke ich: "Okay, das reicht jetzt. Nächstes Jahr fährst du woanders hin." Dann ist das Jahr um. Ich stehe vor der Wahl. Ich habe Sehnsucht. Ich fahre nach Russland. Ich kann nicht anders.

Dabei wollte ich schon lange mal nach Japan. Seit Jahren träume ich davon. Das Ziel ist mir im Traum auch eindeutig bekannt, es heißt Tokyo - und zwar seitdem meine Eltern die Schallplatte "Amiga Cocktail" besitzen. Auf ihr singt Arite Mann den Schlager "Kimono aus Tokyo, du gefällst mir so."

Der Song ist Klasse. Er hat mich geprägt. Schon im Kindergarten ging ich im Kimono zum Fasching. Noch heute kann ich das Lied auswendig vorsingen.

Gerade weil ich nach Japan will und es nicht schaffe, ist es gut für mich, dass es Japan auch in Berlin gibt. Japanische Küche, japanische Mode, japanische Galerien. Die Galerie Murata & friends beispielsweise ist ein richtiger Geheimtip. Sie liegt auf dem zweiten Hinterhof in der Nähe der Hackeschen Höfe und stellt seit drei Jahren regelmäßig junge japanische Künstler aus. Grafiken, Malereien, Plastiken. Die Räume sind schlicht, klein und warm. Der Inhaber und Architekturstudent Manabi Murata hat sie selbst ausgebaut. Dabei sprach er bis zur Wende gar kein Wort japanisch. Als Kind der DDR, einer deutschen Mutter und eines japanischen Vaters war Manabi Murata erst 1990 das erste Mal in Japan. Dort lernte er vor einem Jahr seine Freundin kennen. Sie hat noch mehr Licht in die Galerie gebracht, auch weil sie den Gästen grünen Tee serviert. So kann man sich bei "Murata & friends" wirklich fast wie in einem japanischen Zuhause fühlen.

Eins steht fest: Nächstes Jahr fahre ich nach Japan. Ganz bestimmt. Ich bin jetzt gut darauf vorbereitet. Ich kenne Kyoto. Ich war Sushi essen. Ich habe grünen Tee getrunken. Ich fahre einen Toyota Corolla, ab und zu. Ich bin im Besitz einer Canon-Kamera. Ich habe mich mit junger japanischer Kunst auseinandergesetzt. Ich glaube, das reicht. Das Land der aufgehenden Sonne wartet. Japan 2002, ich komme.

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