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Was machen wir heute?: Keine Holländerin sein

So, how is the guilt?“, schrieb uns ein Freund aus New York gerade nach Israel.

So, how is the guilt?“, schrieb uns ein Freund aus New York gerade nach Israel. Und diesmal war sein Sarkasmus ganz befreiend. Als mich hier in Tel Aviv neulich jemand für eine Holländerin hielt, habe ich erst kurz überlegt, ob ich diesen Irrtum wirklich ausräumen muss. Und fragt man mich, wo ich herkomme, sage ich immer Berlin, nie Deutschland, das empfinde ich zum Teil so, zum Teil ist es mir gerade hier aber auch lieber. Bei Berlin fällt dem Mann in unserer Lieblingsbar ein paar Straßen runter ein Basketballspiel in der Nähe vom Fernsehturm ein, und der uns die Oliven verkauft, erzählt, wie er im „Weekend“-Club war, und verspricht, uns bei der nächsten Kibbuzparty Bescheid zu sagen, das sei das Beste zurzeit, sagt er.

Es hat sich etwas verändert hier. Als ich vor Jahren mit meinem Vater in Israel war, fragten ihn Menschen nach seinem Geburtsjahr. Nun sagen mir Gleichaltrige, dass sie Berlin toll finden, und wenn einer vom Holocaust spricht, dann ist meist von Europa die Rede, selten von Deutschland, und überhaupt reden sie wenig davon, dafür häufiger von Gaza und der Westbank. Manche von ihnen fahren in die besetzten Gebiete, um Palästinenser bei der Olivenernte vor jüdischen Siedlern zu schützen, sie fragen, wie ein Staat, an den sie glauben sollen, so eine Politik machen kann.

Doch auch wenn in Gesprächen hier vor allem Nahost stattfindet, denke ich an Deutschland. Für manche Israelis scheinen Nach- und Aufgeben Synonyme zu sein, sie können nicht zurückweichen, weil sie Angst haben. Wie dicht Stärke und das Gefühl von Verletzlichkeit in Israel beeinanderliegen und welchen Anteil Deutschland daran hat, zeigen vielleicht am besten zwei Gedenktage: am Jom Ha-Schoah beklagen Israelis die Opfer des Holocausts, am Jom Ha-Atzma'ut feiern sie ihre Unabhängigkeit, zwischen beiden Tagen lag in diesem Jahr nur eine Woche. Verena Friederike Hasel

Im Bayerischen Viertel in Schöneberg erinnern 80 Schilder mit Bild und Text an die Entrechtung der Juden während des Naziregimes.

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