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Was machen wir heute?: Kommen und gehen

So ein Jahreswechsel hat ja was Melancholisches. Es fängt was Neues an, aber etwas anderes verschwindet dafür.

So ein Jahreswechsel hat ja was Melancholisches. Es fängt was Neues an, aber etwas anderes verschwindet dafür. Statt in der Melancholie zu ertrinken, habe ich beschlossen, darin zu baden: mit Hilfe der Zeitschrift „du“. Ein ganzes wunderbares Heft hat sie dem Thema gewidmet. Ihr „Alphabet des Verschwindens“ reicht von A wie Außentoilette und Attachéköfferchen bis Z wie Zitronensprudel und Zwischengas, dazwischen tauchen unter anderem die Höhensonne, der Königspudel und das Proletariat auf.

Was die „du“-Redaktion bei der Konzeption der Ausgabe noch nicht wusste: dass sie selber auch verschwinden würde. Das traditionsreiche Schweizer Magazin wurde mal wieder verkauft, die Redaktion entlassen. Aber das ist schon so oft passiert, dass man immer noch optimistisch sein kann.

Das ganze Leben ist doch so: ein einziges Kommen und Gehen und Wiederkommen. Der Winterschlussverkauf zum Beispiel. Vor ein paar Jahren wurde er offiziell abgeschafft, jetzt ist er als „sale“ zurückgekehrt. Anfangs hab ich das gar nicht kapiert, auf den Prospekten habe ich immer nur „Salz“ gelesen. Aber inzwischen klebt das englische Wort ja an jedem Schaufenster.

Oder die gelben Telefonzellen. Denen trauere ich immer noch hinterher. Sie haben so was Gemütliches, rund und robust, ein trockenes Häuschen für den Passanten. Und die Farbe tut keinem Auge weh. Wenn ich vereinzelt eine sehe, überkommt mich immer ein wohliges Gefühl. Und ich bin nicht die Einzige, die der Zelle hinterhertrauert: In dem Film „Die Quereinsteigerinnen“ entführen zwei junge (!) Frauen einen Manager, damit er die Zelle wieder einführt.

Aber inzwischen habe ich entdeckt, dass nicht alle verschrottet wurden: Grün gestrichen, stehen sie nun vor Botschaften und anderen schützenswerten Orten und dienen Polizisten als Wärmehäuschen. Ist doch ein kleiner Trost. Susanne Kippenberger

Ein gelbes Telefonhäuschen steht z. B. an der Martin-Luther-Straße/Motzstraße, ein grünes vor der Britischen Botschaft. „Die Quereinsteigerinnen“ gibt es jetzt auf DVD (Sunfilm).

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