zum Hauptinhalt

Was machen wir heute?: Mit Lücken leben

Lücken im Stadtbild? Igitt!

Lücken im Stadtbild? Igitt! Alles Brachliegende muss bebaut werden, auf Block und Kante. So habe ich lange gedacht und mich geärgert über fast vergessene Westberliner Scheußlichkeiten. Ich sehnte herbei, dass der kriegszerstörte Prager Platz endlich wieder Fassung bekam, dass am Innsbrucker Platz ein Neubau die wohl hässlichste Brandwand der Stadt verdeckte. Ich freute mich, als rund um den verödeten Lützowplatz neue Viertel entstanden oder für die Internationale Bauausstellung in den 80er Jahren auf Kreuzberger Brachflächen Wohnhäuser entstanden. Nach der Wende schienen sich von selbst alle Baulücken zu schließen, ich fand die Füllung oft scheußlich und entdeckte die Liebe zur Lücke. Auch die große Brache am Leipziger Platz könnte ich lieben, wenn dort eine Wiese entstünde. Am zugebauten Lützowplatz, der mir zu abweisend wirkt, habe ich noch immer die Volksfeste vor Augen. So wird es auch sein, wenn an der Clayallee eine Wohnsiedlung entstehen sollte. Auf die bin ich nicht neugierig. Die Stadt hat mit umstrittener Architektur für manche Baulücke büßen müssen. Auch an eine Lücke am Schlossplatz könnte ich mich gewöhnen.

An einer der kürzesten Straßen der Stadt, der Ehrwalder in Schöneberg, wird gerade mit 42 Wohnungen die kriegsbedingte Lücke im großen Häuserblock am Stadtpark Schöneberg geschlossen. Der Architekt Rudolf Fränkel, ein Wohnungsbau-Reformer, plante ihn Anfang der 30er Jahre kurz vor seiner Emigration. Ich bin mit dieser Lücke aufgewachsen, sie hat mich nie gestört. Von den Hoffenstern aus hatte ich einen weiten Blick. Auch wenn ich längst woanders wohne, bin ich etwas betrübt. Es tröstet mich nur, dass die Ursprungsplanung Fränkels von 1932 verwirklicht und eine architektonische Sünde verhindert wird. Christian van Lessen

Rudolf Fränkel, 1901 in Schlesien geboren, starb 1974 in Ohio. Die Schöneberger Wohnanlage steht im Schatten seines bekanntesten Berliner Werks, der Gartenstadt Atlantic in Wedding. Die kürzeste Straße Berlins ist übrigens mit 16 Metern die Eiergasse im Nikolaiviertel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false