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Was machen wir heute?: Musik lauschen

Am Sonntag war ich bei einem Hauskonzert. Nicht, was Sie denken, Klaviermusik und Geige zum Tee im Zehlendorfer Wohnzimmer (was auch sehr schön sein kann, dass es da keine Missverständnisse gibt), nein, dieses Konzert fand statt im unbürgerlichen Teil von Prenzlauer Berg, Hinterhof, zweiter Stock, unrenoviert.

Am Sonntag war ich bei einem Hauskonzert. Nicht, was Sie denken, Klaviermusik und Geige zum Tee im Zehlendorfer Wohnzimmer (was auch sehr schön sein kann, dass es da keine Missverständnisse gibt), nein, dieses Konzert fand statt im unbürgerlichen Teil von Prenzlauer Berg, Hinterhof, zweiter Stock, unrenoviert.

Im Arbeitszimmer von Andrea Neumann stand zwar auch ein schmales Klavier, aber dessen Deckel blieb zu. Die Komponistin hat sich ein Piano der eigenen Art bauen lassen, von dem nicht viel mehr als die Saiten übrig sind; denen hat sie, elektronisch verstärkt und im Zusammenspiel mit einem mährischen Kollegen, mit Ako-Pads, Mini-Ventilator, Rasierpinsel und Kuchengabel zauberhaft zarte, ja magische Töne entlockt. Das hatte, meinte eine Zuhörerin, fast was von Kirchenmusik, so etwas Sphärisches. Echtzeitmusik nennt sich das, was ich da zum zweiten Mal in meinem Leben gehört habe, eine internationale Bewegung, die sich offenbar in Berlin entwickelt hat und die jetzt ihren 15. Geburtstag an Orten feiert, die man allein wegen ihrer Namen besuchen möchte: Ausland, Naher Osten …

Wie überall auf der Welt drängten sich am Schluss alle in der kleinen Küche, aßen Kirschkuchen, tranken Tannenzäpfle und schwärmten sich gegenseitig von Berlin vor: eine Kalifornierin, eine Tschechin, eine Deutsche, die gerade zwei Jahre in London verbracht hat. Wie entspannt es sich hier lebe und wie anregend und abwechslungsreich, normalerweise sei es doch entweder – oder: entweder ruhig oder interessant. Alle ihre Freunde wollten hierher. Als ich ihnen erzählte, dass es in den 90er Jahren ganz viele Zugereiste aus München gab, die sich, auch in Buchform, beständig darüber mokierten, wie provinziell Berlin doch sei, da guckten sie mich mit offenem Mund an. So schnell wird manches Geschichte. Susanne Kippenberger

Die Echtzeitmusiktage laufen noch bis zum 30. September, http://festival2010.echtzeitmusik.de. Andrea Neumann spielt am 18.9. in der Elisabethkirche, zusammen mit Steffi Weissmann, Fernandah Farah und Sabine Ercklentz.

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