zum Hauptinhalt

Was machen wir heute?: Österreich erforschen

Wie ein Ost-Berliner die Stadt erleben kann

Von David Ensikat

Einmal bin ich mit dem Auto nach Italien gefahren. Dort war es schön. Leider mussten wir durch Österreich. Dort war die Sicht schlecht, wir haben uns verfahren. Menschen, die wir nach dem Weg fragten, waren entweder unfreundlich oder nicht zu verstehen.

Im Jahr darauf fuhr ich nach Österreich. Gemeinsam mit einem Freund besuchte ich dessen Freund, einen echten Österreicher. Der trug eine Jeansjacke mit hochgestelltem Kragen und eine große Sonnenbrille, die er manchmal ins Haar schob. Die Kommunikation war schwierig, ich hatte den Eindruck, er habe den Eindruck, ich würde ihn nicht ernst nehmen. Das stimmte wohl auch, aber nicht von Anfang an. Ich nahm ihn ja erst nicht mehr ernst, als er sich verhielt, als habe er den Eindruck, ich nähme ihn nicht ernst. Wir sprachen über uninteressante Dinge, und immer war da eine Spannung. Sehr unangenehm. Und dann dieser hochgestellte Jeansjackenkragen und die Sonnenbrille.

Es war Sommer. Mit einem Tretboot fuhren wir auf den Neusiedler See. Ich sprang ins Wasser, weil man dort schwimmen statt miteinander reden kann. Der Österreicher fuhr davon. Er meinte das witzig, wie er hinterher betonte. Wahrscheinlich wollte er nur endlich ernst genommen werden. Aber so funktioniert das ja nicht (schon gar nicht auf dem Neusiedler See, der so flach ist, dass man durchlaufen kann). Nach zwei Tagen bin ich nach Hause gefahren. Seitdem war ich nie wieder in Österreich.

Niemand soll mir Desinteresse vorwerfen. Ich lese Alfed Polgar, den Untertreiber, und Thomas Bernhard, den Übertreiber. Der eine ist fortgegangen aus Österreich (später auch aus Deutschland, aber erst, als dort ein Österreicher an die Macht gekommen war), der andere hat den Österreichern verboten, seine Stücke aufzuführen. Sehr lehrreich und empfehlenswert ist eine DVD mit zwei langen Thomas-Bernhard-Interviews. Wo wurden sie geführt? In Spanien. David Ensikat

„Monologe auf Mallorca / Die Ursache bin ich selbst“ Interviews mit Thomas Bernhard. Filmedition Suhrkamp 2009, 24 Euro.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false