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Kultur: Was machen wir heute?: Puppen bestaunen

Als eingefleischte Feministin mit strengen Grundsätzen habe ich meinem Sohn zu Weihnachten natürlich eine Puppe geschenkt. Schließlich wird das Kind einmal meine Schwiegertochter und meine Enkel zwischen den Fingern halten, und da soll es möglichst frühzeitig, warum nicht schon mit anderthalb Jahren, eine fürsorgliche Ader entwickeln.

Als eingefleischte Feministin mit strengen Grundsätzen habe ich meinem Sohn zu Weihnachten natürlich eine Puppe geschenkt. Schließlich wird das Kind einmal meine Schwiegertochter und meine Enkel zwischen den Fingern halten, und da soll es möglichst frühzeitig, warum nicht schon mit anderthalb Jahren, eine fürsorgliche Ader entwickeln. Aus diesem Anlass habe ich mich, zum ersten Mal im Leben, mit dem Thema Puppen beschäftigt. Als kleines Mädchen nämlich konnte ich mit Puppen wenig anfangen, war ich doch schon früh stramm feministisch eingestellt. Ich sah keinen Sinn darin, sie an- und auszuziehen, ihre elektrisch aufgeladenen Haare machten mir Gänsehaut und die harten, kalten, dünnen Barbie-Puppen fand ich ähnlich anheimelnd wie ein Bündel Reptilien. Ich entdecke die Welt der Puppen daher erst im reifen mütterlichen Alter. Und staune!

Zunächst mal über die Preise. Für eine Puppe kann man locker anderthalb tausend Mark ausgeben, allerdings handelt es sich dann um Künstlerpuppen, mit denen kein Kind jemals wird spielen dürfen. Auch die preiswerteren Puppen sind in der Regel korrekt gekleidet, sehr brav und sehr langweilig; melancholisch und gefasst blicken sie einem Puppenleben entgegen, in dem sie vor allem zusammengeknautscht und an die Wand gepfeffert werden. Es gibt Puppen in Lederhosen und Abendkleid, schwarze und chinesische Puppen in landestypischer Tracht, Käthe-Kruse-Puppen mit ernstem, altersweisem Gesicht, ja, es gibt sogar Embryos, zeigefingerlang und zusammengekrümmt, im blauen Geschenkkarton. Und es gibt Baby Annabell im weißen Strampler, die "reagiert wie ein richtiges Baby - gurgle, zzz, wäääh".

Meine Freundin, die zwei Töchter hat, berichtet voller Grausen von einer Puppe, die offenbar der Hit unter vier- bis fünfjährigen Mädels ist. Sie heißt Baby Born und kann nicht nur weinen und lachen, essen und trinken, sondern auch in die Windel machen; geliefert wird sie mit Geburtsurkunde und fünfsprachiger Gebrauchsanleitung, und was eine richtige Puppen-Oma ist, die kauft ihrer Tochter auch noch die Wickeltasche dazu (ca. 40 Mark), mehrere Bodies (je 20 Mark), den Puppenwagen (149 Mark), das Reisebett (59 Mark) und so weiter. Wir Omis lassen uns nicht lumpen!

Wenn ich an Baby Born und ihre nassen Windeln denke, ergreift mich eine ganz unfeministische Freude darüber, dass ich einen Sohn habe. Ein Sohn wird sich so ein anspruchsvolles Geschöpf niemals wünschen. Ich habe für ihn also im unteren Preisbereich eine Puppe gekauft, zu der es garantiert kein weiteres Zubehör gibt. Sie hat eine Mütze mit zwei Zipfeln auf und lacht ebenso übermütig wie spitzbübisch in die Welt. Ich liebe diese Puppe wie meine eigene Schwiegertochter, denn sie ist pflegeleicht. Dummerweise kann das Kind sie nicht leiden und schenkt seine Fürsorge nur einem grauen Stoffhasen. Was kann man da machen? Nichts. Gurgle. Zzz. Wääähhh!

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