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Was machen wir heute?: Taxifahrer verstehen

Wie ein Neuberlinerdie Stadt erleben kann

Zu den mythischen Gestalten, die ich schon kannte, bevor ich nach Berlin zog, gehört der übellaunige Taxifahrer. Bärbeißiger als jeder Busfahrer, hartgesotten wie ein Fremdenlegionär, grob, brutal, direkt, mit Worten wie Maschinengewehrsalven und einem Fahrstil, der selbst den forschen Neapolitaner als zimperlichen Rotbremser entlarvt. Der Berliner Taxifahrer: ein düsterer Antiheld der Großstadtschluchten.

Erinnerungen an einzigartige Gespräche hallen im Stahlkäfig des Taxis nach. Der Taxifahrer – er hatte sie alle: die Guten, die Bösen und die Hässlichen. Und doch – ich selbst bin auf den wenigen Taxifahrten, die ich mir leisten konnte, meist den Ausnahmen begegnet. Zum Beispiel dem Weisen aus dem Morgenland, der mich zur Kreuzberger Markthalle fuhr und fragte, was ich dort zu treiben gedächte. „Ein Schnitzel essen“, antwortete ich wahrheitsgemäß. „Ist das Schweinefleisch?“, fragte mich der Weise. „Wiener Schnitzel ist aus Kalb, Schnitzel Wiener Art aus Schwein gefertigt“, antwortete ich. „Nimm Wiener Schnitzel“, riet der Weise. „Das ist besser.“ Ein anderer Taxifahrer verwickelte mich in ein Gespräch über den Film „Freddy vs. Jason“. Ihn trieb die Frage um, ob Jason aus „Freitag der 13.“ oder Freddy aus „Nightmare on Elm Street“ der coolere Killer sei. Er hatte schon einige Passagiere gefragt, aber die meisten hätten nicht einmal gewusst, wer der Mann mit der Hockeymaske und der Herr im gestreiften Pullover überhaupt sind. Ein dritter erzählte traurige Puffgeschichten. Ein vierter brüllte mich beim Einstiegen an, ob ich auch nur um den Block gefahren werden wollte. Ein fünfter wiederholte stoisch den Satz: „Echte Männer werden doch heute nicht mehr gebraucht.“ Die sechste war eine Taxifahrerin. Ich fragte sie, ob echte Männer noch gebraucht würden. Sie sah mich lange durch den Rückspiegel an, wie einen zwar kleinen, aber sehr grell gefärbten Frosch. Anselm Neft

„Neulich im Taxi – Geschichten vom zweitältesten Gewerbe der Welt“, Donnerstag 7. Mai, 20.30 Uhr, Buchhandlung SoSch, Johannisthaler Chaussee 301, Buckow, www.sosch.de

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