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Was machen wir heute?: Trends nachrollen

Typisch! Kaum sind wir weg, wollen alle hin.

Typisch! Kaum sind wir weg, wollen alle hin. „Bulgarien“ hat unser alter Chefredakteur die Potsdamer Straße genannt. Und heute? Treffen sich dort London, Los Angeles, New York. Beim Gallery Weekend war die alte abgeranzte Potse der Nabel der internationalen Kunstwelt. Eine Galerie reiht sich an die andere, und ein Ort ist interessanter als der andere. Zum Beispiel der verschlafene Schreibwarenladen, dessen wunderschöne alte Einrichtung ich jeden Morgen auf dem Weg zur Arbeit bewundert hab’; aber wenn ich dann mal reingegangen bin, um was zu kaufen, hatten sie das, was ich brauchte, nie da. Jetzt hat Helga Klosterfelde das verstaubte Geschäft wach geküsst. Ich ahnte auch nicht, dass gleich vis-à-vis von unserem Büro eine Prachtwohnung mit riesigem Ballsaal liegt. Nun kann ihn jedermann bewundern, Matthias Arndt zeigt dort gerade Gilbert und George. Und auf dem alten verlassenenen Tagesspiegel-Hof, in der längst still gelegten Druckerei tobt das Kunst-Leben.

Das ist ja das Schöne an Berlin, das die Stadt so unfertig, immer im Wandel ist, wie der bekannte Spruch lautet, den ich jetzt gar nicht zitieren wollte, weil er so bekannt ist, aber bis Kreuzberg ist er offenbar noch nicht durchgedrungen. Da sitzen nämlich Leute, die sich für die große Avantgarde halten. Und die regen sich darüber auf, dass jetzt Touristen in ihre begehrten Bezirke strömen und dabei nicht alleine kommen, sondern mit einem Koffer an der Hand. Einem Rollkoffer. Der ist zum Inbegriff des Bösen geworden, neulich war er als solcher schon in der „Zeit“ groß abgebildet. Wenn der Koffer übers Pflaster rollt, macht er nämlich Geräusche. Und die stören den Kreuzberger. Mag er selbst auch noch so lautstark Partys feiern. Spießer!

Für mich ist der Erfinder des Rollkoffers einer der größten Helden des Alltags. Wie ist man eigentlich früher gereist? Ich würde ihm glatt ein Denkmal errichten. Mit Rollen. Das ist doch Berlin: immer in Bewegung. Susanne Kippenberger

Neben den Galerien auf der Potsdamer Straße lohnen auch die in der Kurfürstenstraße und am Schöneberger Ufer den Besuch.

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