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Was machen wir heute?: Uns einbüchern

Die schalen Freuden des Sommers empfehlen sich und ziehen schwalbenhaft den warmen Tagen in den Süden hinterher. Freibad, Park und Grillplatz, Straßencafé, Biergarten und Badesee – damit hat es sich.

Die schalen Freuden des Sommers empfehlen sich und ziehen schwalbenhaft den warmen Tagen in den Süden hinterher. Freibad, Park und Grillplatz, Straßencafé, Biergarten und Badesee – damit hat es sich. Tief aus den Tundren hat sich die winterliche Dämonenschar gen Berlin in Bewegung gesetzt, um die Stadt mit Finsternis und Kälte zu verheeren.

Wohl dem, der die Zeit zu nutzen und sich ein Iglu aus Büchern zu bauen weiß. Mag der Körper schlaff in der Gegend herumliegen – voller Spannkraft wird der Geist zu Abenteuern aufbrechen, neben denen der Sommerflirt im Volkspark Friedrichshain zur Farce verblasst. Es gilt Ismael und seinen Blutsbruder Queequeg auf der Pequod zu begleiten, wie sie dem weißen Wal nachstellen. Die Zeit ist reif, um mit Madame Bovary zu leiden. Wer will nun nicht dem Bieberkopf über die Schulter sehen, wenn er sich ins Unglück reitet? Und wo man schon dabei ist, einem zu langer Suche Verdammten bei seiner Irrfahrt zu folgen, da bietet sich auch eine Fahrt mit Odysseus oder Sindbad an. Man könnte mal wieder im Hause Usher vorbei schauen, das bei jedem Lesen neu ersteht und in sich zusammenfällt.

Anschließend Klavierstunde bei Frau Jelinek oder eine wilde Schafsjagd mit Herrn Murakami. Danach will man vielleicht durch Else Lasker-Schüler erkennen, dass an Wuppertal nicht alles schlecht sein kann oder doch gleich nach Long Islands aufbrechen, um eine Party des Jay Gatsby aufzusuchen. Vielleicht steht einem dann bald der Sinn nach einem portugiesischen Buch der Unruhe oder einem Tag, der den Jahrhundertweg zieht. Oder man knöpft sich gleich den ganzen Dostojewski vor und wird über den Winter kauzig, bis die Nachbarn wüstes Schimpfen durch die dünnen Wände hören:

Kaschnitz, Grimmelshausen, Schiller

Mann, Grass, Proust, Gogol und Miller

Bukowski, Tolstoi, Hesse

Haltet endlich mal die Fresse!

Anselm Neft

Buchhandlung Exlibris, Reinhardtstraße 17, Telefon: 28094611

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