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Was machen wir heute?: Zum Scrooge werden

Wie ein Vaterdie Stadt erleben kann

Zwischen Respekt und Renitenz entscheidet sich Klein-Greta konsequent für den Widerstand. Die Aufforderung, mal herzukommen, heißt für sie: schnell weglaufen. Der Wunsch, das Buggy-Car nicht stakkatoartig die Türschwellenkante herabkrachen zu lassen, wird mit einem diabolischen Blick beantwortet, bevor die Nervtötung fortgesetzt wird. Und mit Gemüse brauchen Sie diesem Kind gar nicht zu kommen. Die gemeinsamen Mahlzeiten sind kurz geworden in unserem Haus. Wenn’s Greta nicht schmeckt, steht sie vom Tisch auf und geht „lieber spielen“ – aufhalten lässt sie sich allenfalls von italienischem Schinken, geräuchertem Lachs oder Marzipan. Selbst die jahreszeitlich naheliegende Drohung, sie könne beim Weihnachtsmann leer ausgehen, beeindruckt unsere knapp dreijährige Tochter nicht. „Mir doch egal“, sagt sie, bevor die Küchentür hinter ihr ins Schloss knallt.

Von der gegenüberliegenden Tischseite bezeugt ihre große Schwester Emma bei solcher Gelegenheit gerne gespielte Anteilnahme an meinem Scheitern als Erzieher und zieht mit bedauernder Miene die Schultern hoch. Die Heuchelei kann sie sich sparen. Denn die Frechheiten der Kleinen sind nichts im Vergleich zu dem Terror, zu dem die beiden Zicken im Zusammenspiel fähig sind. Wenn die sich um irgendeine Murmel streiten, dann wechseln nur noch Haarbüschel die Besitzerinnen. Da fließen Tränen wie zuletzt in Sodom. Schlimmer als diese Hexen geht’s nicht. Dachte ich – bis zu Emmas siebtem Geburtstag. Sie hatte ihre ganze Klasse zum Pizzaessen eingeladen – leider auch die Jungs. Gegen die sind meine Töchter Engel. Erst in der Pizzeria wurde mir schmerzlich bewusst, dass ich ein Paar Ohropax hätte mitnehmen sollen. Als ich rauskam, neigte ich zu Gewalt. Nur gut, dass wir anschließend das Kino Sputnik gebucht hatten. Es gab die Muppets mit der Weihnachtsgeschichte von Dickens, mit Michael Caine als Scrooge. Und im Kinosaal war es 90 Minuten lang ganz still. Stephan Wiehler

Das Kino Sputnik, Körtestr. 15–17 in Kreuzberg, kann man mieten. Infos unter Tel. 0163-8931510 oder www.sputnik-kino.com.

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