zum Hauptinhalt
Hillary Clinton

© dpa

Weibliche Macht: Biologie der Bilder

Bedrohung, Hoffnung, Inszenierung: Warum wir uns immer noch so schwer tun mit den Frauen und der Macht.

Vielleicht haben die mächtigen Frauen dieser Welt gerade keinen guten Lauf. Von Angela Merkel hört man seit Jahresbeginn kaum etwas. Generalbundesanwältin Monika Harms hat jede Menge Ärger am Hals. George Bush fährt kurz vor Toresschluss lieber persönlich in den Nahen Osten, während Condoleezza Rice zu Hause bleibt. Ségolène Royal, die ehemalige französische Präsidentschaftskandidatin, scheint komplett von der Bildfläche verschwunden zu sein, und wird derweil von Carla „Quelqu’un m’a dit“ Bruni als zukünftiger First Lady abgelöst. Benazir Bhuttos trauriges Schicksal ist bekannt, und Hillary Clinton schrammt in Iowa und New Hampshire nicht nur um Haaresbreite an ihrer politischen Selbstauslöschung vorbei, sondern übt weiter den Spagat zwischen der zähnefletschenden Hetäre und der demokratischen Salzsäule – mit mäßigem Erfolg. Alice Schwarzer, ach ja, schreibt derweil zwei Bücher über Simone de Beauvoir. Und Flocke, das Nürnberger Eisbärenbaby, ist ein Mädchen, welches in fünf Jahren seine Kinderchen genauso auffressen wird, wie es selbst beinahe aufgefressen worden wäre, was weibliche CSU-Bundestagsabgeordnete dann wieder scharenweise „herzlos“ finden können.

Vielleicht haben die mächtigen Frauen dieser Welt derzeit aber auch einen guten, ganz normalen Lauf – und nur wir, die glotzende, geifernde Öffentlichkeit, sind dem Anblick dieser Normalität immer noch nicht gewachsen. Vielleicht ist Frau Merkel ganz einfach bei der Arbeit und bleibt ihrem politischen Stil der Stille treu. Vielleicht sitzt Frau Harms ihre strittigen juristischen Entscheidungen ganz einfach aus. Und wieso ist ein singendes Ex-Model als zukünftige französische Präsidentengattin per se anrüchiger als eine Ex-Hausfrau, Ex-Lehrerin oder Ex-Journalistin? Die Medienlese der letzten Tage spricht eine andere Sprache: Bruni als Bettzipfel in Sarkozys Hand, Harms wie der Lehrer Lämpel auf Wilhelm Buschs spitze Feder gespießt, Merkel mit angeödeter Miene beim Neujahrsempfang des Bundespräsidenten.

Die Bilder der Macht, die Macht der Bilder – nicht erst seit Gerhard Schröder haben sich die Grenzen zwischen Show und Geschäft auch in der deutschen Politik in einen reißenden Strom verwandelt. Nur: Schröder ist ein Mann. Dass Frauen eine andere Wahrnehmung haben als Männer und auch anders abgebildet und „gelesen“ werden, darin scheinen die postmodernen Medienwissenschaften etwa so weit zu sein wie die Medizin. Die predigt seit langem, dass der weibliche Körper anders funktioniert als der männliche – und tut nichts dafür.

Kein Vorwurf (Moralin hilft hier nicht, das hat schon der Feminismus erkannt): Welcher Mann und Welterklärer sinnt schon auf ein genuin weibliches System? Welcher Kameramann oder Bildredakteur entscheidet bei seiner Auswahl nicht unweigerlich mit dem XY-Chromosom? Die Konsequenzen daraus sind so bekannt, dass es fast peinlich wirkt, sie nochmals aufzuschreiben: Entweder die Frau ist Objekt und schön, knackig, erotisch, dann greift der übliche Voyeurismus und Sexismus (weshalb die vorläufig letzte „PorNo“-Kampagne der „Emma“ auch nur halb so dämlich war, wie sie verkauft wurde); oder die Frau ist Subjekt, Konkurrentin um die Macht und personifizierte Bedrohung des Status quo, dann sieht sie schnell aus, wie wir Merkel (53) oder Harms (61) kennen: post-klimakterisch, ikonografisch mit „hässlichen“ Doppelkinnen, Tränensäcken und Speckwülsten bewehrt.

Ironie der Biologie: Das Lebensalter, in dem Politikerinnen, Richterinnen oder Bischöfinnen in die höchsten Kreise der Macht vorstoßen, meint es gewöhnlich nicht gut mit ihnen. Erst mit der hormonellen Umstellung, so scheint es, werden Frauen überhaupt machtfähig. Erst in dem Moment, in dem sie aus dem männlichen Beuteschema weitgehend herausfallen, dürfen sie ernsthaft mitspielen. Die große Karriere, eine Pervertierung jeder Weiblichkeit? Archaisch, aber wahr. Und ein Tabu. Das hohe Alter übrigens – siehe Hildegard Hamm-Brücher oder Barbara Rütting – kennt dann wieder seine Schönheiten.

Wie also umgehen jetzt und in Zukunft mit dem weiblichen Gesicht der Macht? Hillary Clinton (59), der US-Wahlkampf überhaupt, bietet reiches Anschauungsmaterial. Dabei ist der Wettlauf, das Ranking der beiden traditionell diskriminierten Lager – schwarz oder Frau? – zweifellos das spannendere, originellere, amerikanischere Thema. Origineller jedenfalls als die ausgeleierte Gefühlsschiene, auf der sich Politikerinnen seit Sirimavo Bandanaraike, Golda Meir oder Margaret Thatcher zu legitimieren haben.

Die aktuellen Strategien und Rollen sind gleichwohl klar verteilt: Während Barack Obama mit der Aura JFK’s jongliert und die Demokraten im Glauben eint, sie qua eigener Hautfarbe von Amerikas schwarzem Trauma zu erlösen, scheiden sich an Clinton die Geister und Geschlechter. Eine Frau zur Präsidentin zu machen, „nur“ weil sie eine Frau ist und weil es weltpolitisch dringend Not tut, nach 2000 Jahren Männerherrschaft und acht Jahren George W. Bush zu neuen Utopien, ja zu ganz anderen Begriffen von Krisenmanagement, Völkerverständigung und sozialer Gerechtigkeit zu kommen, das gilt immer noch als unredlich, unseriös, unsachlich.

Paradox, aber wahr: In dem Maße, in dem die Wahlkampfrhetorik die Geschlechterdifferenz als Argument ins Feld führen, unterstellt man der Kandidatin Exaltiertheit, Hysterie, übersteigerte Emotionalität – und die Waffen einer Frau. Gegen die Männerfantasie der übermächtigen, sich exotischer Mittel und Zaubertränke bedienenden Verführerin (die Literatur- und Musikgeschichte weiß davon viele Lieder zu singen) hilft einzig der Gegenentwurf, die rasende Megäre, helfen Bilder: Hillary mit weit aufgerissenem Mund und Spiegeleieraugen, den rechten Zeigefinger in den Hexenkessel von New Hampshire bohrend. Oder Hillary – ebenfalls ein beliebtes Motiv – an Bills breiter Schulter geborgen. So sieht 2008 weiblicher Erfolg aus, nein: So will die Erfolgreiche selbst, so sollen wir ihn offenbar sehen.

Nun wäre es von den Herren der Schöpfung und der Medien (die sich mit Obamas Rasse meist völlig fraglos identifizieren) gewiss zu viel verlangt, die nach Macht Strebende auch noch vor sich selbst zu schützen und nur mehr Diskretes, unauffällig Staatstragendes und im schlimmsten Fall Langweiliges abzulichten. Überhaupt ist es ja nicht so, dass die Damen mit sich im Reinen wären. Clintons Selbstdarstellungs- und Inszenierungskünste werfen Fragen auf. Bisweilen wirkt es tatsächlich so, als wandle sie wie auf rohen Eiern, ja als mühe sie sich in einer fremden Sprache ab: puppenhaft, starr, affektiert, einzig bestrebt, Fehler zu vermeiden. Die Träne von Portsmouth, echt oder unecht, markiert nur das andere Ende dieser (typisch amerikanischen) Ausdrucksskala.

Die Macht mit den Mitteln der Mächtigen zu erringen, um dann die Revolution auszurufen, in diese Falle sind schon viele getappt. Wie wäre es also, wenn Hillary Clinton sich weniger auf das Beherrschen der Spielregeln konzentrierte und mehr auf sich selbst, auf ihre politische Erfahrung, ihren Machtinstinkt, auf die so gnädige wie natürliche Befreiung von allem maskulinen Imponiergehabe? Ein offensives Bekenntnis zum eigenen Sosein, etwas mehr Fantasie in der Regie sicherte uns in jedem Fall andere Bildmotive. Und bis diese dann von Fotografinnen, Kamerafrauen und Artdirektorinnen weiterverarbeitet werden, halten wir jetzt auch noch durch.

Christine Lemke-Matwey

Zur Startseite