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© Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Weihnachtspost: Endloser Strom von Zeichen und Plunder

Infomails, Weihnachtskarten, twitternde Präsidenten: alle wollen unsere Aufmerksamkeit. Unter dem sinnlosen Geschwätz litt schon Goethe. Eine Glosse.

In diesen Tagen sind die Infomails besonders herzlich. Meist stammen sie von Absendern, die man nicht kennt und auch nicht kennen will. Spam also. Aber ist es nicht ein schlechtes Omen, all die Happy New Years in den elektronischen Mülleimer zu werfen? Bei den Weihnachtskarten aus Pappe und Papier leistet das Material noch einen gewissen Widerstand. Es haben sich da auch Menschen die Mühe gemacht, zu unterschreiben oder ein paar persönliche Worte abzuschicken. Oft dann sprechen die Weihnachtskartenversender nur wieder von sich selbst. „Wir blicken auf ein ereignisreiches Jahr mit vielen künstlerischen Höhepunkten und starken neuen Impulsen zurück“, betont ein klassischer Klangkörper. Ein Verlag bedankt sich für „ein Jahr voller Gespräche, Rezensionen, Abdrucke, Interviews, Lob und Kritik“. Das normale Geschäft. Auch Weihnachtskarten sind bloß Bitten um Beachtung.

Aufmerksamkeit ist eine kostbare Ressource. Wie die Zeit. Davon handelt Heinz Dürrs Weihnachtsschrift. Der ehemalige Industrielle, der Theatermäzen und gelegentliche Autor erfreut uns Jahr für Jahr mit seinen Gedanken. Einmal ging es um die „Lügen im Internet“, ein andermal gab es ein „Gespräch mit Ray Kurzweil“, dem US-Futuristen und Google-Vordenker. Diesmal heißen die Dürr-Worte zum Jahreswechsel „Ich Twittr – Also bin ich“. Nein, Heinz Dürr (AEG, Bundesbahn, Dürr AG) twittert nicht. Er sagt: „Ich bin für das Gespräch. Das Gespräch miteinander, gegeneinander, füreinander.“ Dürr misstraut Trump, schon weil der Präsident sich auf Twitter verlässt und sendet bis zur Besinnungslosigkeit.

Netz und Geschwätz

Der luschtige Schwabe will dem endlosen Strom von Zeichen und Plunder entkommen und landet bei – Goethe. Wo er auch keinen Schutz findet: „Mich ängstigt das Verfängliche/Im widrigen Geschwätz,/Wo nichts verharret, alles flieht/Wo schon verschwunden, was man sieht;/Und mich umfängt das bängliche,/ Das graugestrickte Netz.“ Netz und Geschwätz. Goethe hatte schon Internet oder was Ähnliches und litt. Das ist die Sache mit den Klassikern, das macht sie unvergänglich. Man flieht zu ihnen hin und landet bei sich, im Heute und Hier. Bei Heinz Dürr und seiner kleinen Broschüre. Wir bleiben im Gespräch im neuen Jahr.

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