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Kultur: Weiße Hasen an die Macht! Komödie von Mary Chase im Theater am Kurfürstendamm

Das wäre die Rettung der Welt: Jeder Mensch bekommt einen weißen Hasen. Zwei Meter groß, oder etwas darüber, gesprächsbereit, kontaktfreundlich, trinkfest - und unsichtbar.

Das wäre die Rettung der Welt: Jeder Mensch bekommt einen weißen Hasen. Zwei Meter groß, oder etwas darüber, gesprächsbereit, kontaktfreundlich, trinkfest - und unsichtbar. Denn mit einem weißen Hasen an der Seite ist keiner mehr böse, eigensüchtig, gierig. Die Sache hat nur einen Haken. Weiße Hasen, behauptet die 1907 geborene Dramatikern Mary Chase, sind Müßiggänger. Und wenn sie sich einem Menschen gesellen, muss das auch ein fröhlicher Tunichtgut sein. Also doch keine Rettung der Welt. Denn auch Chase vermag in ihrer Komödie "Mein Freund Harvey" nur einen Hasen aufzutreiben, weil es nur einen Kerl wie Elwood P. Dowd gibt, bei dem sich der Löffelträger wohl fühlen kann. Der Hase macht eine entzückend eingestaubte bürgerliche Familie mehr oder weniger, den Chef-Nervendoktor aber ganz verrückt - oder doch normal? Am Ende jedenfalls finden sich zwei Paare und Harvey, so heißt der weiße Unsichtbare, wird feierlich aufgenommen in den Zirkel unzerstörbarer viktorianischer Wohlanständigkeit.

Wirkung auf dem Theater hat die 1944/45 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Komödie seit ihrer Uraufführung immer wieder gehabt. Die deutsche Erstaufführung fand unter der Intendanz von Gustaf Gründgens 1950 in Düsseldorf statt, 1956, in den Kammerspielen des Deutschen Theaters, spielte Rudolf Wessely den Tunichtgut Dowd. Im Theater am Kurfürstendamm ist Winfried Glatzeder der glückliche Hasenbesitzer. Er holt Naivität und Kindlichkeit aus einem Körper, der immer in Unruhe ist, weil er sich allen Umständen gegenüber schmiegsam verhalten will. Eine leichte Krümmung des Rückens, ein Rollen in den Schultern, das Befingern des Hutes - da steht einer auf der Bühne, der Aggressivität seiner Umgebung einfach nicht wahrnimmt. Sein unbedarft Liebenswürdiger staunt über alles und jeden. Er ist unaufhörlich damit beschäftigt, dieses Staunen zu verarbeiten.

Glatzeder ist Mittelpunkt einer Aufführung, die der Komödie mit solidem Können gibt, was die Komödie braucht. Jürgen Wölffer (Bearbeitung und Regie), H. U. Thormann (Bühne und Kostüme) kommt ein gerüttelt Maß an Erfahrung zu Gute, das Ensemble um Elisabeth Wiedemann, Ebba M. Reiter, Friedrich Schoenfelder ist mit Lust und Liebe bei der Sache. Natürlich tut sich kein Abgrund an Gesellschaftskritik auf, man muss das betulich Plüschige der harmlosen Geschichte schon mögen. Und doch, die Liebenswürdigkeit eines so verschrobenen Kerls wie Elwood P. Dowd liefert nicht nur Spaß, der schnell vergessen ist. In ihr steckt auch die Sehnsucht, Welt und Menschen mit nichts als Zutraulichkeit zu bezwingen. Und dieser Sehnsucht braucht man sich nicht zu schämen.Nächste Aufführungen 29. / 30. 4., 5. - 8. sowie 13. / 14. Mai, ab 15. 5. dann ensuite.

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