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Kultur: Welt-Klimagipfel: Dicke Luft

Zwei Wochen lang hatten sie versucht zu retten, was zu retten ist. Mehr als 160 Staaten der Vereinten Nationen (UN) rangen darum, wie das Klimaschutz-Protokoll der Vorgänger-Konferenz in Kyoto/Japan umgesetzt werden soll.

Zwei Wochen lang hatten sie versucht zu retten, was zu retten ist. Mehr als 160 Staaten der Vereinten Nationen (UN) rangen darum, wie das Klimaschutz-Protokoll der Vorgänger-Konferenz in Kyoto/Japan umgesetzt werden soll. Gestern nachmittag musste Konferenzpräsident Jan Pronk bekennen, dass "wir keine Einigung erzielt haben". Trotzdem wollte er das Thema noch nicht ganz verloren geben. Deshalb wird die sechste Klimakonferenz aller Voraussicht nach im Mai in Bonn fortgesetzt. Schließlich ist das schon einmal mit Erfolg praktiziert worden, als die so genannte Biosafty-Konferenz kurz vor dem Scheitern stand.

Gute ein einhalb Wochen bewegte sich in Den Haag so gut wie nichts. Am Donnerstag abend dann legte der niederländische Umweltminister Jan Pronk ein Papier vor, das er als Kompromiss verstand. Darin war er den USA allerdings weit entgegengekommen. Zu weit aus Sicht der Europäischen Union (EU), die sich bis zuletzt dagegen wehrte, die in Kyoto bereits zugesagten Klimaschutzverpflichtungen der Industrieländer "wieder zurückzuverhandeln", wie es die EU-Verhandlungsführerin und französische Umweltministerin Dominique Voynet ausdrückte.

Eine Einigung scheiterte letztlich daran, dass sich USA und EU nicht über eine Bewertung so genannter Senken einigen konnten. Aus Sicht der Nicht-Regierungs-Organisationen sind die Senken erklärtermaßen das "größte Schlupfloch des Kyoto-Protokolls". Und tatsächlich hätte eine vollständige Anrechnung von Senken auf das Emissionskonto der USA bedeutet, dass der Staat mit dem weltweit größten Anteil am Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase, seine Emissionen hätte weiter erhöhen dürfen - anstatt sie, wie zugesagt um sieben Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Trotzdem wollten die Europäer die Konferenz an dieser Frage offenbar nicht scheitern lassen. Aber obwohl die Delegationen der Länder eine Marathonsitzung aufsichnahmen, die den gesamten Freitag einschließlich der Nacht zum Samstag gedauert hatte, reichte der gute Wille schließlich nicht mehr aus.

Am späten Samstagvormittag platzte schließlich John Prescott, dem britischen Umweltminister, der Kragen. Er verließ wutentbrannt das Tagungsgebäude. Wenig später machte die Kunde vom Scheitern der Konferenz die Runde. Was genau Prescott zum Auszug bewegt hat, ist umstritten. Doch war es offenbar neben der Verärgerung über die USA und die Japaner, die als hauptsächliche Verhandlungshindernisse gelten, am Schluss auch mit der europäischen Einigkeit nicht mehr allzu weit her. Von Anfang an machte Finnlands grüne Umweltministerin, Satu Hassi, erhebliche Schwierigkeiten, weil auch ihr Land stark von Senken profitieren könnte. Dennoch hielt die Allianz. Doch mit seinem Papier war auch Jan Pronk ausgeschert. Und mit zunehmender Dauer der Konferenz machte sich offenbar auch Unzufriedenheit mit der Verhandlungsführung von Dominique Voynet breit.

Für die Umweltverbände steht der Schuldige für das Scheitern fest: "Die USA haben hier eine Einigung verhindert", sagte Bill Hare von Greenpeace. Und: "Das ist eine Katastrophe für das Klima." Roda Verheyen von der Umweltschutzorganisation Friends of the Earth nahm ebenfalls kein Blatt vor den Mund: "Die Regierungen hatten drei Jahre Zeit, sich über die Umsetzung des Kyoto-Protokolls zu einigen. Sie haben versagt."

Nach dem Scheitern versuchten die Beteiligten zu retten, was zu retten ist. Dominique Voynet stellte fest, die Klimakonferenz sei gerade daran gescheitert, dass "hier ernsthafter verhandelt worden ist als bei vorhergehenden Klimagipfeln". Es sei der EU darum gegangen, die Schlupflöcher des Kyoto-Protokolls nicht noch größer werden zu lassen. Ihr Gegenspieler, der US-Delegationsleiter Frank Loy, wiegelte dagegen ab. Die USA wollten auch weiter an der Spitze der Länder stehen, die den Klimaprozess vorantrieben, beteuerte er. Außerdem sei es nicht das erste Mal, dass es lange dauere, bis eine internationale Einigung geschafft sei.

Das könnte für Staaten wie Samoa oder Tuvalu zu spät sein. Die niedrig liegenden Pazifikinseln diskutieren inzwischen nicht mehr über die Reduktion von Treibhausgasen sondern über Evakuierungspläne, weil der Wasserpegel unaufhörlich steigt. Sie waren es, die die Delegierten immer wieder daran erinnerten, um was es in Den Haag eigentlich hätte gehen sollen.

Zum Beispiel Tuala Sale Tagaloa, Umweltminister von Samoa: Fünf Jahre lang seien viel Geld, technische und menschliche Ressourcen verschwendet worden, nach Schlupflöchern im Kyoto-Protokoll zu suchen. "Wie viel Kreativität, intellektuelle und politische Energie ist eingesetzt worden - nicht, um die Treibhausgas-Emissionen zu vermindern - sondern, um ein System von undurchschaubarer Komplexität zu schaffen." Die Konferenz in Den Haag hat ihm Recht gegeben.

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