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Kultur: Weltkulturerbe mal zwo: Musik und Film aus Kino open-air auf der Museumsinsel Berlin

Als "Stadt der Säulen" beschreibt der kubanische Schriftsteller Alejo Carpentier Havanna. Die neoklassischen Bauten in der Altstadt sind allerdings von allerlei Zutaten der Moderne durchwirkt.

Als "Stadt der Säulen" beschreibt der kubanische Schriftsteller Alejo Carpentier Havanna. Die neoklassischen Bauten in der Altstadt sind allerdings von allerlei Zutaten der Moderne durchwirkt. Dagegen scheinen sich die Fassaden der Berliner Museumsinsel in grauer historischer Strenge zu erheben. Immerhin stehen beide Orte auf der Unesco-Liste des "Weltkulturerbes". Für die Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz und das Kino Balázs Anlass genug, die Wahlverwandtschaft zwischen den beiden Metropolen etwas auszuleuchten.

Zum Auftakt gab es am Dienstag ein Doppelkonzert vor der Alten Nationalgalerie, bei dem die neue Prominenz kubanischer Volksmusik erschien: Caridad Hierrezuelo, die betagte Guarachera aus dem Osten der Insel, sowie Eliades Ochoa, der außer seinem schwarzen Cowboyhut inzwischen auch das Gütesiegel trägt: "bekannt aus dem Film Buena Vista Social Club". Hierrezuelo pries im fröhlichen 6/8-Takt die saftig-süßen Früchte ihrer Heimat, wie zum Beispiel die Ananas, die dem Volksmund stets eine beliebte Metapher fürs weibliche Geschlecht geliefert hat. Guaracha-Texte sind fast immer zweischneidig, und bei derlei scharfzüngigen Anspielungen hätte der steinerne Friedrich Wilhelm IV. eigentlich vom Pferd fallen müssen. Doch nur die kleinen Palmen in den Kolonnaden zitterten in der Sommernacht. Pop unterm Tympanon: Das zahlreich erschienene Publikum, die "große Familie", bei der sich Ochoa immer wieder mit liebenswürdigen Platitüden bedankte, war begeistert. Und Ochoa lieferte mit dem Quarteto Patria die bekannten Klassiker wie "Chan Chan" im Gewand kubanischer Country-Music. Zur neoklassischen Kulisse hätte vielleicht eher die gemessene Salonmusik des Danzón gepasst, aber die Zuschauer auf dem Rasen erwarteten Hits statt Historismus. Niemand wurde enttäuscht. Im Anschluss lief "Lágrimas Negras" auf riesiger Leinwand, ein Kassenschlager, der die gefeierten Uralt-Troubadoure aus Santiago de Cuba auf Europa-Tournee zeigt.

Reprisen, Reprisen

So ist auch das siebentägige kubanische Filmfestival, das vom Balázs in zweiter Auflage auf der Museumsinsel veranstaltet wird, ganz aufs große Publikum zugeschnitten. Statt wirklicher Neuentdeckungen bietet es Reprisen und Previews. Die aber können sich - jeweils im Originalton mit Untertiteln - sehen lassen. Mit der Voraufführung von "Kubanisch Reisen" lief am Mittwoch der neue Film von Juan Carlos Tabío, der noch subversiver um sich schlägt als dessen Vorgänger "Erdbeer und Schokolade" (Sonnabend, 21 Uhr 30). Mit "Nosotros la Música" (heute, 23 Uhr) und "Salsa y amor" (Freitag, 21 Uhr 30) wird wieder der kubanischen Musik Tribut gezollt. Dazwischen gibt es einen biografischen Einblick zu Wilfredo Lam, dem weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Maler (heute, 23 Uhr). Wie hätte Lam wohl in diesen Tagen die Altstadt Havannas gezeichnet? Vermutlich nicht als mythisches Bild europäischer Touristen, sondern als auf surrealem Terrain verrottete Pracht.

Roman Rhode

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