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Kultur: Wen die Liebe je entzündet

Hanswurstiade bei den Potsdamer Musikfestspielen: Joseph Haydns Marionettenoper „Die Feuersbrunst“

So entspannt wie in seiner Marionettenoper „Die Feuersbrunst“ gab sich Joseph Haydn selten. „Gebt mir Bier und Branntewein, heut muss brav gesoffen sein“, lässt er den Hans Wurst lauthals trällern. Der hat gerade mit viel Orchesterlärm das Haus des braven Steckel abgefackelt; danach wird er, als vollbusige Zigeunerin verkleidet, seiner geliebten Colombina mit Fistelstimme die Zukunft voraussingen. Eine Hanswurstiade, die nichts sein will als lustvolles Volkstheater – und gerade deswegen zur besten Oper Haydns wurde, der ja auch in ernsten Sinfonien mit Fagottfurz und Paukenschlag scherzte.

Geschrieben hat Haydn das Stück für das berühmte Marionettentheater seines Dienstherrn Fürst Esterházy. Die Charaktere sind in der Partitur so treffend geschnitzt, dass sich die verloren gegangenen Zwischendialoge überzeugend ergänzen lassen – doch schon das scheint die meisten Opernhäuser in ihrer Routiniertheit zu überfordern. Die Musikfestspiele Potsdam-Sanssouci wagten sich dagegen an das selten gespielte Stück. Dass sie es im Schlosstheater dazu aufführen ließen, wie Haydn es konzipiert hatte, war bei kleinen Abstrichen eine Pioniertat und Luxus zugleich. Gewöhnlich sind Marionettenopernauffürungen Adaptionen von abgehangenen Repertoirestücken à la „Zauberflöte“ zu Musik aus der Konserve. In Potsdam bewegten sich die Figuren des Carter Family Theatre Seattle dagegen live zum vollen Orchesterklang: Feinfühlig und voller Theaterblut dirigierte Andreas Spering die Capella Augustina. Acht Schauspieler und Sänger, die seitlich der Bühne saßen, verliehen den kleinen Figuren dazu abwechselnd ihre Stimme; sie zeigten nebenbei, dass man Illusionstheater auch ohne Regiemätzchen brechen kann.

Unter den Synchronsprechern brillierte besonders Hans-Werner Bussinger mit einer Vielzahl von Stimmlagen und Dialekten; Nadja Winter klang als Colombina dagegen etwas zu kindlich für die lose Gefährtin des Wiener Wurstel. Insgesamt weckten die Sprecher jedoch den heißen wie unerfüllbaren Wunsch nach synchronisierten Dialogen auch für das Menschenoperntheater. Den Wunsch nach größerer Textverständlichkeit hätten die sonst sehr überzeugenden Sänger dagegen erfüllen können. Wobei Synchronsingen im Marionettentheater ein undankbarer Job ist. Heimtückisch einfühlsam passten die Spieler die Bewegungen ihrer Marionetten nämlich dem Gesang an, bis die Töne aus den beweglichen Holzmündern zu kommen schienen. Und schon schien es, als hätten die kleinen Gesellen Andreas Karasiaks herrlich ausgeglichenen Strahletenor und Isa Katharina Gerickes warmen Sopran mit allen den schönen großen Gefühlen weggestohlen.

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