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Kultur: Wenig geniert

KUNST

Auf den ersten Blick wirkt die Ausstellung wie das Klischee von zeitgenössischer Kunst: eine leere Lagerhalle in Prenzlauer Berg, rechts flimmert eine Projektion, links wurden Holzlatten grob zusammengezimmert, daneben liegen Wolldecken. Doch dann lässt ein Klopfen aus der Wand den Besucher aufmerken. Es stammt vom Band und ist der Ausstellungsbeitrag der in Berlin lebenden Künstlerin Ceal Floyer. Sie setzte den Ausstellungstitel „Was ist in meiner Wohnung, wenn ich nicht da bin?" (Greifswalderstraße 212, 1. Hinterhof, 1. Aufgang, bis 22. Februar; Donnerstag bis Sonntag 12-19 Uhr) in ein Geräusch um, das ebenso unheimlich ist wie Inbegriff des ruhegestörten Nachbarn. Dieses merkwürdige Ahnen ist ganz im Sinne der beiden Kuratorinnen Caroline Eggel und Christiane Rekade, die ihren Ausstellungstitel einer an die Wand projizierten Fragensammlung des Schweizer Künstlerduos Peter Fischli und David Weiss entliehen haben, mit dem das Paar auf der letzten Biennale von Venedig brillierte. Mit insgesamt 16 Künstlern folgen sie den Abgründen, die sich in unseren heilen Wohnwelten und letztlich in uns selbst auftun: Unbehagen, Isolation, Angst. Während Amelie von Wulffen oder Edit Oberholz mit weitergemalten Fotografien oder Installationen Kindheitsmomente evozieren, greift Daniel Roth fiktive Erzählungen auf, etwa von den seltsamen Zeitpassagen des Dr. Dräcker, der in der Ausstellung verpuppt als grüner Zapfen von der Decke hängt. Das Telefon als Nahtstelle zur rettenden Außenwelt steht bei Thomas Saraceno im Zentrum, der zwölf öffentliche Telefone miteinander vernetzen will. Schon jetzt kann man versuchen, direkt aus der Ausstellung heraus jemanden etwa auf dem Eiffelturm zu erreichen. Mit klopfendem Herzen hält man den Hörer. Hört mich jemand da draußen?

Katrin Wittneven

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