zum Hauptinhalt

Kultur: Wenn das Tamagotchi verwahrlost

Computer sind für vieles schlecht und manches gut. Die aktuelle Malerei haben sie jedenfall nicht besonders weitergebracht.

Computer sind für vieles schlecht und manches gut. Die aktuelle Malerei haben sie jedenfall nicht besonders weitergebracht. Indirekt hingegen beeinflußt ihre Ästhetik die zeitgenössische Bilderproduktion um so nachhaltiger. Maya Roos zeigt in der Galerie Wohnmaschine ein Bilar ihrer neuen Serie "Speed Disc" (zusammen 18 000 Mark). Die beiden Arbeiten bauen sich aus horizontal ausgerichteten, blockartigen Farbfeldern auf. Sie sind von schmalen, streifenähnlichen Strukturen durchsetzt und so in ihrer Strenge aufgelockert. Zu sehen sind abgezirkelte, exakt festgelegte Farbflächen in Weiß, Rosa, Beige, Türkis, Gelb und Grün: delikate, poppige Zuckergußfarben. Wie die meisten ihrer Bilder erinnern auch diese auf nicht exakt bestimmbare Weise an Landschaften. Sie wirken zugleich verführerisch, abweisend kühl und ein wenig technoid.Die Anregung zu ihrer Malerei holte sich die in Berlin lebende Schweizerin in der Sprechstunde von "Doctor Norton". Der "Computerdoktor" entwickelte das Hilfsprogramm "Speed Disc". Mit ihm läßt sich vorbeugend oder im akuten Notfall einer Virusinfektion der Zustand des Computers analysieren. Roos zitiert jene Darstellungsweise, die den Zustand des Computers visualisiert: weiße Flächen stellen freie Speicherplatz dar, die braunen zeigen Datensätze an. Im optimierten Zustand sind die Flächen klar voneinander abgegrenzt.Wehe aber, wenn die Felder in Unordnung geraten. Dann ist elektronisch Gefahr im Verzug, droht womöglich Absturzgefahr. Auf den Leinwänden sieht noch alles ganz harmlos, vielleicht trügerisch harmlos aus. Parallel dazu stellt die Galerie Wohnmaschine Arbeiten des Österreichers Rudi Molacek aus. Der Östereicher lebt seit den siebziger Jahren in New York. Sein immer wiederkehrendes Hauptmotiv sind Blumen. Er arbeitet - ähnlich wie Roos - mit leuchtenden Farbtönen wie beispielsweise Neongrün, Türkis oder Lachs. Im Gegensatz zu Maja Roos setzt Molacek luftig gestische Pinselschwünge auf die Leinwand. Fließende Bewegungslinien und Farbwirbeln konzentrieren sich zu Andeutungen von Formen (Preise von 4800 bis 15 000 Mark). Meist scheinen die assoziativen Gestalten kurz davor, sich wieder aufzulösen. Ihr flüchtiger Ausdruck spielerischer Leichtigkeit zielt dabei auf Momente tändelnd heiterer Lebensfreude.Unbeschwert sinnlich gibt sich auch Molaceks Video "Lolly loop" (Auflage 50, 300 Mark). Ein junges, nacktes Mädchen zwischen weißen Tulpen leckt vergnügt an den Blüten. Dazu erklingt eine Melodie: eine pseudo-sanfte, nicht minder laszive Version von "Sympathy for the Devil".Die Bilder von Roos und Molacek sind geprägt vom Zeitgeist Ende der 90er Jahre. Sie sind Ausdruck einer Ich-will-Spaß-Generation. Beide laden ihre vordergründig spielerischen Arbeiten mit einem Hauch latenter Bedrohung auf. Dabei sind die Gefahren aber ungefähr genauso dramatisch, wie wenn das Tamagotchi zu verwahrlosen droht oder ein Lippenstift verschmiert. EK

Galerie Wohnmaschine Tucholskystraße 35, bis 23. August; Dienstag bis Freitag 14 - 19 Uhr, Sonnabend 12 - 17 Uhr.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false