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Kultur: Wenn der Bohlen zweimal klingelt

„Völlig ausgebucht“: Die Berliner Bar jeder Vernunft untersucht die Hauptstadt-Society

Man hätte einfach auch die letzten Tage in der Reservierungsschleife der Bar jeder Vernunft auf die Bühne bringen können: Die Art, wie das freundliche Servicepersonal versuchte, die Besucher im völlig überbuchten Spiegelzelt zu verstauen, erinnert schon sehr an die New Yorker Kultkomödie „Völlig ausgebucht“, mit der die Szenebar im alten Westen mal wieder eine Eigenproduktion realisiert. „In ist, wer drin ist, und drin ist, wer in ist“, ist der Slogan, mit dem die Bar für ihre Produktion wirbt – wohl wissend, dass der Titel missverständlich ist. „Völlig ausgebucht“ ist keineswegs schon völlig ausgebucht, es gibt noch Karten.

Das Berliner Publikum, das am Premierenabend „drin“ war, zahlte einen hohen Preis, um „in“ zu sein: Heiß war es, ungemütlich und sehr, sehr eng. Das gilt doppelt für Dieter Landuris, der als erfolgloser Schauspieler Sami die Telefonanlage eines fiktiven Szenerestaurants verwaltet. In Schal und Daunenjacke (das Stück spielt unglücklicherweise kurz vor Weihnachten) hockt er in einem Verschlag unter der Treppe, umgeben von mehreren hektisch klingelnden Telefonen und brummenden Gegensprechanlagen.

Ein Parforce-Ritt ist das Einmannstück, in dem sich der freundliche Grieche am Telefon mit nervenden Szenegrößen wie Helmut Reichinger, Tine von Rauschenberg, Hannes Speichel und Dieter Bohlen herumstreitet – selbst Stefan Effenberg bekommt aus aktuellem Anlass seinen Auftritt. Tapfer schwäbelt, rheinländert oder berlinert sich Landuris durch die Platzsuchenden der Republik – und kann doch nicht verhindern, dass das Schlüsseldrama am Ende etwas leer läuft.

Denn das Problem ist: Berlin ist nicht München. Was Helmut Dietl in „Rossini“ und „Kir Royal“ aufs Treffendste gelang, ist in der neudeutschen Hauptstadt schwer zu adaptieren. Vielleicht, statt das Stück vage im inzwischen hauptsächlich von Touristen und Geschäftsleuten frequentierten „Borchardt“ anzulehnen, hätte Übersetzer Steffen Kopetzky sich lieber die „Paris Bar“ mit ihren Relikten West-Berliner Society von Udo Walz bis Otto Sander als Vorbild nehmen sollen. Oder zumindest bedenken, dass ein Szenestück, in dem weder Shawne Borer-Fielding noch unser bekennender Bürgermeister vorkommt, nicht ganz auf der Höhe der letzten Saison ist.

Bis 1. Juni, Di bis Sa 20.30 Uhr, So 19.30 Uhr .

Christina Tilmann

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