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Kultur: Wenn Engel sterben müssen

KLASSIK

Kaum leichter und zugleich tiefsinniger kann ein Konzertabend sein, der sich einem schweren Thema widmet – dem Tod, dem Schmerz der Hinterbliebenen und doch auch: der Hoffnung. Festival Chor und Orchester des Europäischen Musikfestes Stuttgart gaben unter der Leitung von Helmuth Rilling in der Philharmonie zwei Werke zum Besten, deren Umschreibung durch die Komponisten selbst nicht unterschiedlicher hätte sein können: „Viechsarbeit“ nannte Alban Berg das in Auftrag gegebene Violinkonzert, als „Trauerkantate“ verstand Brahms sein „Deutsches Requiem“. Inspiriert jedoch wurden beide Musiker von gleichermaßen tragischen Ereignissen: Berg wollte der jung verstorbenen Tochter aus Alma Mahler-Werfels zweiter Ehe ein musikalisches Denkmal setzen – erkennbar im Untertitel „Dem Andenken eines Engels“. Brahms lässt den Chor im 5. Satz mit „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ an seine eigene Mutter erinnern, die kurz vor Vollendung des Requiems starb.

Bergs Violinkonzert ist Programm: Eine Volksweise findet sich ebenso wie der Schlusssatz einer Bach’schen Kantate (die übrigens den Konzert-Auftakt bildet), vertont er den Todesschrei genauso wie die Erlösung. Von der Geigerin Alyssa Park erfordert dies technische und musikalische Professionalität – und von der hat sie genug. Mal fegt sie leichtfüßig über die Seiten, mal hängt sie schwermütig den bi- und atonalen Gedanken hinterher. Meisterhaft gelingt Chor und Orchester schon der düstere Anfang des Requiems, brillieren später auch Bariton Dietrich Henschel und Sopranistin Letizia Scherrer. Hoffnungsfroh endet der Chor mit „Selig sind die Toten“ – die innere Spannung jedoch löst sich erst, als das Publikum wie elektrisiert nach einer langen Stille zum Applaus einsetzt.

Franziska Richter

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