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Kultur: Wer aus der Reihe tanzt

Mut ist alles: Filme für Menschen von 4 bis 18 in GENERATION K PLUS UND 14 PLUS

Von Susanna Nieder

Das Kinderfilmfest – oder Generation K plus , wie es seit Neuestem heißt – ist auch für Erwachsene ein Erlebnis. In den Zoopalast passen immerhin 1000 Zuschauer – und wenn die jungen Zuschauer begeistert sind, geht die Post ab. Kinder finden oft andere Filme toll als Erwachsene. „Love & Dance“ von Sipur Hatzi Russi könnte so einer sein. Er spielt unter russischen Einwanderern in Israel, es geht um Gesellschaftstanz und ums Verlieben. Das mögen ältere Herrschaften über 20 ermüdend finden, aber für Zehn- oder Elfjährige ist das Thema Verlieben ein brandheißes Eisen.

14 Spielfilme und 21 Kurzfilme werden bei der 30. Ausgabe der Berlinale-Reihe für Kinder gezeigt. Ein richtiger Knaller wie „Es gibt nur einen Jimmy Grimble“ (2001) oder „Kletter-Ida“ (2002) ist diesmal leider nicht dabei, aber es gibt einige gute Beiträge.

Gesungen und getanzt wird nicht nur in „Love & Dance“, sondern auch in „Razzle Dazzle“, den Zeichentrickfilmen „U“ und „Lotte im Dorf der Erfinder“ und in „Abgerockt“ von Ylva Gustavsson und Catti Edfeldt (Schweden), einer Art Musical mit Hip-Hop und Rock, der im Betonsilo unter Asylanten, übellaunigen Stiefmüttern und jungen Rockmusikern spielt und wunderbar nachvollziehbar für Kinder wie Große zeigt, wie viel besser alles sein kann, wenn man sich ein bisschen nach den Kids richtet.

„Eis!“ von Yeo In-gwang (Republik Korea) erzählt von einer Vatersuche und ist eher was für die ganz Jungen. Bei „Kreuzzug in Jeans“ von Ben Sombogaart, einer Koproduktion aus den Benelux-Ländern und Deutschland mit Emily Watson und Herbert Knaup in Nebenrollen, ist statt des gefürchteten Europuddings ein gut gemachter, spannender Abenteuerfilm herausgekommen, der den meisten Kindern Spaß machen wird. Und „Trigger“ von Gunnar Vikene (Norwegen), definitiv geeignet für Pferdenärrinnen, gibt mehr her als ein Reiterhofidyll. Er handelt von der Angst, von alten Menschen und vom Umgang mit dem Tod. Wie ein Mädchen seine Angst überwindet, ist auch in dem wunderbaren französischen Beitrag „Nennt mich Elisabeth“ von Jean-Pierre Améris dargestellt.

Wenn die Welt noch groß und weit ist und nur der Himmel die Grenze, wird jede Konvention zum Käfig und jedes Gesetz zum Kerker. Aus dieser Enge befreit nur das Zersägen der Gitter, das Zerschneiden des Gängelbandes, das Zerreißen der Zwangsjacke. Es hilft einzig: die Flucht nach vorne. Diese Dreistigkeit gegenüber denen da oben macht die Kinder- und Jugendzeit so geeignet für Gesellschaftskritik – und deswegen greifen Filmemacher gerne auf sie zurück. Die Jugendreihe Generation 14 plus hat ein paar treffende Beispiele dafür parat. Zwei von ihnen ragen besonders heraus.

Mit „Sweet Mud“, gerade auf dem amerikanischen Sundance-Festival als bester ausländischer Film ausgezeichnet, wirft der israelische Regisseur Dror Shaul einen missbilligenden Blick auf das Kibbuz-Leben der siebziger Jahre. Wer hier aus der Reihe tanzt, wird mit disziplinierenden Maßnahmen in die Parade zurückgetrieben: Gleichheit auf Kosten von Freiheit und Individualität. Der zwölfjährige Dvir muss erleben, dass sein Vater Selbstmord begeht und die Mutter daraufhin in den Wahn getrieben wird: Er selbst sollte am besten schnurstracks weg von hier. Vor dem Hintergrund des staubtrockenen Landes – und mit Bildern, denen Israels sengende Sonne die Farbigkeit ausgebrannt zu haben scheint – setzt dieser stille Film ein Ausrufezeichen hinter die Forderung: So nicht!

Im rumänischen Film „The Way I Spent the End of the World“ folgt der siebenjährige Lalalilu diesem Appell aufs Wort. Am Ende macht er sich auf, um dem Treiben des Diktators Ceausescu mit seiner Steinschleuder den Garaus zu machen. Und ist damit, so scheint es, sogar erfolgreich.

Bevor es so weit ist, zieht Regisseur Catalin Mitulescu den Zuschauer aber erst mal für gut 100 Minuten hinein in das staubige, matschige, schmutzige Leben des kommunistischen Landes im Jahr 1989. Lalalilus 17-jährige Schwester Eva gerät mit der Obrigkeit aneinander, weil sie in der Schule aus Versehen eine Ceausescu-Büste zerstört – und den Mitschuldigen nicht denunzieren will. Anhand des Schulsystems illustriert der Film die Missstände des diktatorischen Landes: den autoritären Drill, den Zwang zur Anpassung, die Dreistigkeit der Bonzen. Aber auch: den Wunsch nach Ausbruch und Freiheit. Auch hier herrschen farblose Bilder, die dazu noch kalt und dunkel sind. Da wirkt das Ende Ceausescus schließlich wie ein Befreiungsschlag aus eisernen Ketten. Julian Hanich

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