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Kultur: Wer Gewalt erntet

20 Kurzfilme aus Taiwan: „10+10“ im PANORAMA.

Nicht auszudenken, wenn das Schule machte: Ein Regisseur wird mit einem Schlachtendrama aus Taiwans Geschichte zum Festival nach Venedig eingeladen und dreht danach einen Kurzfilm in Form eines Dankgebetes. Das läuft nun in Berlin als Teil des Projekts „10+10“, in dem 20 taiwanesische Regisseure in fünfminütigen Beiträgen ihr Land erkunden.

Ein weiterer Beitrag mit einem Filmthema ist „Unwritten Rules“: Da wird die Crew von einer riesigen Holzwand mit der Fahne Taiwans in ihrer action gebremst; dieses Brett vor der Kamera kann der Regisseur aber gar nicht brauchen, weil er seinen Film schließlich auch noch in die Volksrepublik China verkaufen will.

Zweimal Film im Film also, aber weder bei der Ehrerbietung vor den höheren Mächten noch beim fehlenden Respekt vor dem nationalen Erbe geht es um eine kritische Reflexion des eigenen Mediums. Auch die großen Fragen der Gegenwart, die Ost und West gleichermaßen umtreiben, spielen kaum eine Rolle: Generationsprobleme, Konsumterror, Finanzkrisen kommen nicht vor. Einzig „Bus Odyssey“ vermittelt den Einbruch unerklärlicher Gewalt, die an den japanischen Film „Eureka“ erinnert – nur ist der fünfzigmal so lang und hundertmal eindrucksvoller.

Initiiert hat das ganze Projekt mit zehn bekannten und zehn Nachwuchsregisseuren die große Autorität des taiwanesischen Kinos, Hou Hsiao-Hsien. In seinem eigenen Beitrag, „La Belle Epoque“, zeigt eine Mutter ihrer Tochter den Familienschmuck, der sich im Laufe der Zeit angesammelt hat: viel pures Gold – eine Hommage an die Hauptdarstellerin Mei Fang, die schon in seinen großen Filmen der 80er Jahre mitwirkte.

Gräuel des Völkermordes vor Kinderaugen oder der Kampf mit BH-Einlagen in einer Boutique: Die Themen können zu groß, aber auch zu läppisch sein. Zum rührenden Melodram fügt sich eine Geschichte, in der es um Alter und Erinnerung geht. „Green Island Serenade“ beginnt in den 50er Jahren in Schwarz-Weiß. Das Radio spielt Songs aus Formosa. Die Kamera schwenkt von der Live-Sängerin einen Park mit all den Insignien des Liebesliedes: der grünen Insel, dem Mondschein, dem sehnsüchtigen Jüngling. Überall dringt langsam die Farbe ein, die Kamera schwenkt zurück und hat ein halbes Jahrhundert überbrückt, nun steht die alte Sängerin selbst vor dem Mikrofon, die seitdem ein Star in Taiwan ist.

Die Alltagsgeschichte „Lane 256“ von Arvin Chen, dessen „Au revoir Taipei“ 2011 im Forum lief, zeigt einen Umzug im alten Wohnviertel Taipehs: Außen hieven Seilwinden das größte Stück langsam nach oben – innen plagt sich ein junges Paar mit seinen Kartons. Im Erdgeschoss verkündet es, sie würden bald heiraten, im ersten Stock bricht die Krise aus, oben angekommen, schauen sie einander wieder verliebt in die Augen. Das kann man gewichtig als Metapher für das Leben deuten, aber es bleibt doch angenehm lakonisch in der Schwebe; dafür schwebt es draußen mit der Riesenkiste nicht mehr lange, gleich kracht’s ordentlich – allerdings nur im Off. Helmut Merker

14.2., 20 Uhr (International); 15.2., 13.30 Uhr (Cinemaxx 7); 16.2., 14.30 Uhr (Cubix 9); 17.2., 14.00 Uhr (International)

Hou Hsiao-Hsien hat Stars und Nachwuchstalente gebeten,

ihre Heimat zu erkunden

Helmut Merker

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