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Kultur: Wer kennt die Lyrik des Friedenspapstes? Pontifikale Poesie für die Hofpresse – aber Italien blickt nach San Remo

Noch ist das Büchlein nur einer begrenzten Leserschaft zugänglich, doch hat es für einen Moment die Welt aufhorchen lassen: das „Römische Triptychon“, Gedichte von Papst Johannes Paul II., die vergangene Woche in Rom vorgestellt wurden.

Noch ist das Büchlein nur einer begrenzten Leserschaft zugänglich, doch hat es für einen Moment die Welt aufhorchen lassen: das „Römische Triptychon“, Gedichte von Papst Johannes Paul II., die vergangene Woche in Rom vorgestellt wurden. Darin finden sich Reflektionen über den Schöpfergeist, über die Sixtinische Kapelle, wo der Autor vor 25 Jahren zum Papst gewählt worden war, und über den Stammvater Abraham, der einst aus dem heutigen Irak aufgebrochen war und auf dem Berg Moira im heutigen Jerusalem einen Bund mit Gott geschlossen hatte. Wenn man in der Vatikanbuchhandlung nach diesen Gedichten fragt, bekommt man für 13 Euro einen Band des Stanislaus Verlages aus Krakau, der gerade das Poem „Römisches Triptychon“ in der polnischen Originalsprache herausgebracht hat. Auf die italienische Druckfassung der Libreria Editrice Vaticana soll man bis Ende des Monats warten müssen, auf die offizielle deutsche Übersetzung noch länger.

Aus der Kammer des Herzens

So war es also durchaus ungewöhnlich, dass Kardinal Ratzinger das Werk des Papstes bereits jetzt in der italienischen Fassung der Öffentlichkeit vorstellte. Genauer gesagt den beim Vatikan akkreditierten Journalisten. Wer nicht zur Hofpresse des Vatikans gehört, musste sich von der Veranstaltung erzählen lassen oder mit den Teilen zufrieden geben, die über einen privaten Fernsehkanal ausgestrahlt wurden. Ungewöhnlich bleibt vor allem, dass sich das Oberhaupt der katholischen Kirche in (ungebundenen) Versen meditativen Exerzitien hingibt. Vom jungen Wojtyla kennen wir zwar diverse poetische Versuche, von Theaterstücken bis zu fünf Gedichtsammlungen mit durchaus diskutablen Ergebnissen. Die bisher letzte literarische Veröffentlichung, die autobiographischen Texte zum 50. Jahr seiner Priesterweihe unter dem Titel „Geschenk und Geheimnis“ (Styra Verlag), stammt aus dem Jahr 1996. Doch hatte der greise, 1920 geborene Papst vor Jahren bereits gesagt, dass „diese Kammer des Herzens“ endgültig geschlossen sei, als er nach neuen Werken gefragt wurde.

Und nun also doch dieses „Römische Triptychon“, das vom italienischen Literaten wie Mario Luzi als „theologisches und zugleich poetisches Werk“ gelobt wird, weil es auch formal mehr wage als viele andere lyrische Arbeiten der Moderne. Luzi fühlt sich besonders von der bildlichen Denkweise des Autors angezogen, der im zweiten Gedicht über die Sixtinische Kapelle die (nach der Restaurierung ans Licht gekommene) Farbenpracht Michelangelos zum Ausgangspunkt seiner Meditationen über das Wort macht. Auch der Filmregisseur Krzysztof Zanussi, ein langjähriger Freund des Papstes, fühlt sich von der Bilderkraft der Verse angezogen, die noch Raum für Meditationen lasse, während sich die audiovisuelle Kultur heute immer mehr in den Wegen des permanenten Vergnügens verliere. Das sind Kommentare, die man erwartet. Wer würde es auch wagen, einen Papst, der sich zudem zum spiritus rector der Friedensbewegung aufgeschwungen hat, zu kritisieren?

Und jetzt zurück zur Festivalkrise

Doch leben wir in keinen lyrikfreundlichen Zeiten. Von der katholischen Presse abgesehen, die mit Großberichterstattung reagierte, hat die italienische Öffentlichkeit einen Tag lang die Vorstellung der Papstgedichte mit freundlichem Interesse verfolgt – um sich am nächsten wieder ganz weltlichen Dingen zuzuwenden. Etwa der angeblichen Krise des Schlagerfestivals von San Remo, das die Medien bereits seit Wochen in Atem hält.

Henning Klüver

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