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Kultur: Wer pennt, gewinnt

Bei größeren Einkäufen fühlt man sich inzwischen wie am Roulettetisch. Drei, zwei, eins – meins?

Bei größeren Einkäufen fühlt man sich inzwischen wie am Roulettetisch. Drei, zwei, eins – meins? Nächtelang fokussiert der Geist im Fieberwahn die Schnäppchenjagd: jetzt oder nie? Die Objekte der Begierde heißen üblicherweise Powerbook, Digitalkamera, Küchenschrank oder neuer Anzug. Lang genug hat man gewartet, doch jetzt fließen von irgendwo her plötzlich Endorphine durch die Nervenbahnen, den Körper durchströmt ein Gefühl himmlischer Leichtigkeit. Also streift man sich ein frisches Hemd über, sammelt sein Plastikgeld ein und begibt sich an den Ort der Angst und der Lust – wahlweise ein freundliches Möbelhaus oder der geile Elektronikmarkt um die Ecke. Daheim sortiert man nachher selig die Armeen von Schrauben und entsorgt Berge von Verpackungsmaterial und Gebrauchsanleitungen. Es ist so toll: Mit dem neuen Laptop fliegen die E-mails noch schneller in alle Welt. Und auch wenn noch nicht alles richtig zusammengebaut ist, so schläft es sich mit neuen Möbeln bedeutend besser.

Bis zum nächsten Morgen. Unvermittelt und von hinten schlägt die Keule zu. Aus dem Radio, aus der Tageszeitung. Schlechtestenfalls heißt der beste Freund am Telefon Hiob. Todsicher erfährt man, dass der gleiche Küchenschrank ab Montag nur noch die Hälfte, der spottbillige Computer urplötzlich 500 Euro weniger kostet; es kommen neue Modelle. Das ist die Quittung für den Glücksspielgewinn – und dafür, dass man zu früh gesprungen ist. Der Jäger wird zur Beute.

Mikko Stübner

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