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Kultur: Wer vor dem Mauerfall Wert auf Mode legte, musste findig sein

Als ich mich Ende der 70er Jahre für Mode zu interessieren begann, war mir nicht bewusst, dass ich mich einer der berühmten DDR-Nischen zuwandte. Man suchte eben nach eigenen Ausdrucksformen, und Mode war eine Möglichkeit, sich von der grauen Masse abzusetzen.

Als ich mich Ende der 70er Jahre für Mode zu interessieren begann, war mir nicht bewusst, dass ich mich einer der berühmten DDR-Nischen zuwandte. Man suchte eben nach eigenen Ausdrucksformen, und Mode war eine Möglichkeit, sich von der grauen Masse abzusetzen.

Dabei orientierten wir uns vor allem an westlichen Moden. Unsere Vorbilder entnahmen wir Zeitschriften, Musikvideos und Spielfilmen. Jedes Heft der "Sibylle", der einzigen akzeptablen DDR-Modezeitschrift, durchforstete ich nach neuen Ideen. Sie zeigte zwar meistens Entwürfe des Modeinstituts und Exportmodelle, die nie in die Geschäfte kamen, aber trotzdem - oder gerade darum - verschlang ich die Fotos.

Gab es in der DDR überhaupt eine eigenständige Mode? Von "sozialistischer" Mode sprach man in den 80er Jahren jedenfalls schon lange nicht mehr. Die DDR brachte sogar eine Jeans mit dem Namen "Wisent" auf den Markt, doch für uns war das keine echte Jeans. Zum tristen Angebot der staatlichen Geschäfte gab es drei Alternativen: Sehr teure Kleidungsstücke des exklusiven DDR-Modeunternehmens "Exquisit", Westklamotten, geschickt von Verwandten, und selbst angefertigte Sachen, wobei die Phantasie im allgemeinen auf das Kopieren von Vorbildern aus dem Westen verwendet wurde.

Unseren Müttern schwatzten wir die raren Bettlaken ab, färbten sie und nähten uns Kleider, Hosen und Röcke daraus. Stoffe wurden bedruckt, bemalt oder appliziert, bevor wir sie weiterverarbeiteten. Ebenso änderten wir Berufsbekleidung wie Fleischerhemden und Kochhosen, Unterwäsche, Sportsachen oder alte Kleidung aus der Mottenkiste der Großeltern. Sogar Schuhe und Taschen, Schmuck und Kopfbedeckungen fertigten findige Leute selbst an. Diese Dinge wurden auf Flohmärkten in der ganzen DDR verkauft. Die Sehnsucht nach etwas Neuem und Modernem war so groß, dass man schon mit einfachen bedruckten T-Shirts viel Geld verdienen konnte.

Anfang der 80er Jahre öffneten die ersten privaten Boutiquen, hauptsächlich in Berlin. "Josefine" und "Geschenkboutique" erreichten eine solche Bekanntschaft, dass Kundschaft aus dem ganzen Land anreiste. Später arbeitete ich selbst in einer dieser Boutiquen. Auch Mitglieder des Verbandes bildender Künstler, zu denen viele freiberufliche Modedesigner gehörten, verkauften kleine Kollektionen über diese Boutiquen.

Zur gleichen Zeit tingelten Modegruppen wie die "Modekommode" durch die Städte und veranstalteten in Clubhäusern, Hotels und Betrieben Modenschauen. "Bis zu zwölf Auftritte hatten wir manchmal an einem Wochenende. Wir mussten uns selbst schminken und die Sachen bügeln", erinnert sich ein ehemaliges Model. Auf diesen Schauen wurden "Exquisit"-Modelle oder Stücke aus Exportkollektionen gezeigt, manchmal mit privaten Kleidungsstücken und Accessoires aufgepeppt. Das Publikum war begeistert. Den Höhe- und Schlusspunkt dieser mehr geduldeten als geförderten Initiativen stellte das Modetheater "Allerleihrauh" dar. Vorläufer war die im "Untergrund" arbeitende Gruppe ccd (chic, charmant und dauerhaft), die seit 1980 vor allem Ledersachen für die Musikszene nähte. 1988 veranstaltete eine Gruppe von Designern, Handwerkern und Künstlern die erste Ledermodenschau im Haus der jungen Talente, dem heutigen Podewil. Nicht nur das extrem bearbeitete Leder - es wurde in Hunderte von Schuppen geschnitten und aufgeklebt, zerfetzt, gesmokt und wie zu Panzern urtümlicher Tiere verwandelt - auch die aufwendige Inszenierung erregte internationales Aufsehen. Hier war zum ersten Mal etwas ganz Eigenständiges in der DDR-Mode entstanden. Ein Jahr später kam die Wende.

Cornelia Kubitz

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