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Kultur: Wer wird Kanzlerkandidat der Union?: Angebot und Nachfrage

Die CSU des Edmund Stoiber ist eigentlich ein straff geführter Kampfverband. Darin unterscheidet sich die Christlich Soziale Union der Gegenwart von der des großen Lehrmeisters Franz Josef Strauß seelig in keinster Weise.

Die CSU des Edmund Stoiber ist eigentlich ein straff geführter Kampfverband. Darin unterscheidet sich die Christlich Soziale Union der Gegenwart von der des großen Lehrmeisters Franz Josef Strauß seelig in keinster Weise. Damals wie heute: Selbstzufrieden, das auch, aber mehr noch mit Verachtung schaut man zuweilen auf die große Schwester CDU herab - diesen unsäglich undisziplinierten Haufen, bei dem tagtäglich irgendein Hornochse mit abwegigen oder von der gemeinsam verabredeten Linie abweichenden Stellungnahmen aus der Reihe tanzt.

Die CSU des Edmund Stoiber wird derart straff geführt, dass unerwartete Vorstöße aus der zweiten Reihe eigentlich nie unabgestimmt kommen. Nur die von Michael Glos, dem Chef der CSU-Landesgruppe, zuweilen auf eigene Rechnung. Denn der ist im äußersten Maße dessen, was bei den Christsozialen möglich ist, unabhängig. Das wird auch für seine aktuelle Betrachtung zur Kanzlerkandidatur gelten, für die er soeben neben den beiden Unions-Vorsitzenden auch noch Wolfgang Schäuble in Betracht zieht. Oder doch nicht?

Juristisches Trauerspiel

Zufällig - ja, ist es Zufall? - findet sich am gleichen Tag in der "Süddeutschen Zeitung" prominent auf Seite eins der Hinweis auf ein Telefonat vom Wochenende zwischen dem von Glos benannten Kandidaten und dem bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Vorsitzenden, das ein "freundschaftliches", ein "gutes" gewesen sei. Und solche Meldungen aus der bayerischen Staatskanzlei verirren sich für gewöhnlich gar nicht zufällig in die Presse, erst recht nicht in die "Süddeutsche". Also doch ein konzertierte Aktion? Wer weiß.

"Dass Michael Glos Wolfgang Schäuble in der Reihe der Kanzlerkandidaten sieht", findet immerhin Friedrich Merz, der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, "zeigt, dass er sich Gedanken über die gegenwärtige Lage der Union macht." Man muss sich also über diese Gedanken machen. "Dass Wolfgang Schäuble zu den Spitzenpolitikern der Union zählt", so Merz weiter, "war auch vorher bekannt." Vorher: Heisst das vor dem Streit um Schäubles Schreiber-Spender, als er noch Vorsitzender war? So meint Merz das wohl nicht, denn er zählte stets zu den wenigen, die sich in schweren Zeiten auch öffentlich und unzweideutig zu Schäuble bekannten. Anderen kommt dies erst jetzt wieder in den Sinn, da das juristische Trauerspiel dem Ende naht - mit einem für Schäuble günstigen Ausgang. Und wo der CDU-Parteitag vor der Tür steht, zu dessen Anlass es wohl amtlich werden wird, dass seine Kontrahentin, die ehemalige CDU-Schatzmeisterin Brigitte Baumeister, von ihrer Partei wegen eben dieser umstrittenen Spende zum Schadenersatz gezwungen wird. Für die Führung der CSU ist es sehr viel angenehmer als für die Kollegen aus der CDU, dass Schäuble in Kürze als voll rehabilitiert gelten wird. Denn eine Kanzlerkandidatin Angela Merkel wollen die Bayern nicht. Und ob es ihr eigener Chef, der mit der straffen Führung, werden mag, ist doch so ungewiss, weil der Wahlausgang so ungewiss ist. Da wäre ihnen einer aus der Mitte der Union wie Wolfgang Schäuble doch schon sehr viel lieber. Wenigstens als Kandidat.

Nun ist die Phantasie endgültig angeregt. Und Angela Merkel kann gar nichts tun als zuzuschauen. Ein Zeitplan ist mit der CSU vereinbart. Täglich wird er bekräftigt: "Es bleibt dabei", findet auch Merz, die Entscheidung wird, "wie zwischen den Parteivorsitzenden verabredet" erst "Anfang des nächsten Jahres" getroffen. Nur Stoiber könnte durch seinen erklärten Verzicht den Weg verkürzen. Er tut es nicht. Oder aber durch einen fulminanten Gastauftritt beim CDU-Parteitag. Wenn es ihm abermals gelingt, dieses Mal beim Auswärtsspiel, der CDU-Vorsitzenden die Schau zu stehlen. Oder wenn dies einfach nur, ganz ohne Vorsatz, passiert. Wenn die CDU-Delegierten sehen, mit wem sie glauben, siegen zu können.

Doch was hält sich Stoiber damit wirklich offen? Die eigene Kandidatur oder die Verhinderung der von Angela Merkel? Die Fantasie für den zweiten Fall - jetzt hat sie einen Namen. Doch ganz so strategisch, wie es den Anschein haben könnte, ist die Sache gar nicht angelegt: "Er ist im tiefen Herzen unentschlossen", sagt einer der wenigen neben Stoiber noch mächtigen CSU-Politiker. "Er ist feige", schallt es aus dem CDU-Präsidium. Doch eines kann ihm niemand nehmen: Er, fast ganz allein, ist der Königsmacher.

Ordnungsruf der Vorsitzenden

Und doch nimmt auch er, nicht nur Angela Merkel, Schaden. Zunächst unbemerkt, allmählich aber auch sichtbaren. Denn immer, wenn die Diskussion um den Kanzlerkandidaten der Union für einen halben Tag in Vergessenheit zu geraten droht, meldet sich irgendein Spitzenpolitiker aus CDU oder CSU unüberhörbar zu Wort, um das schleunigst wieder zu ändern. Und damit bekommen beide Unionsführer langsam, aber sicher ein Problem: Ihren öffentlichen Bekundungen zufolge wollen beide, Angela Merkel und Edmund Stoiber, die Diskussion jetzt nicht. Weil sich aber ihre Unterscharen partout an diesen Wunsch nicht halten, erodiert mit jeder neuen Wortmeldung, der ein zumeist dann nur für Stunden vorhaltender Ordnungsruf der Vorsitzenden auf dem Fuß folgt, allmählich die Autorität der Unions-Parteichefs. Und das wiederum ist ungünstig für den späteren Kanzlerkandidaten: Wie soll man ihm glauben, dass er das Land führen kann, wenn er seinen Willen und seine Strategie nicht einmal im eigenen Laden durchsetzen vermag?

Fast alle in der Führung der CDU sehen dies. Und lassen es treiben. "Nein, ich glaube nicht, dass er sich zu der neuerlichen Diskussion äußern will", sagt ein Sprecher von Roland Koch. Und Koch steht als einzelner für alle.

Peter Siebenmorgen

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