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Lille Soldat

© Berlinale

WETTBEWERB: Die gepanzerte Seele

Stilles Drama mit starker Hauptdarstellerin. „Lille Soldat“ von Annette K. Olesen ist eine präzise Kriegsheimkehrer-Studie. Sie zeigt eine Frau, deren Innerstes längst erstarrt ist.

Traumatisierte Kriegsheimkehrer, das ist jetzt auch in Deutschland ein Thema. Afghanistan, Irak, auch Dänen werden dort eingesetzt. Lotte war Soldat, sie ist vor der Zeit zurückgekehrt, es geht ihr nicht gut. Sie trinkt, stiert ins Leere, zuckt zusammen bei lauten Geräuschen. Das Rattern des Ventilators, Motorenbrummen, Türenschlagen, sie mag das nicht. Aber sie funktioniert noch ganz gut, rappelt sich hoch in ihrer Armeehose, streift sich die Lederjacke über, jobbt als Chauffeurin im weißen Jaguar ihres Vaters und fährt bald auch dessen Huren durch die Gegend, vor allem dessen Geliebte, die schöne Lily aus Nigeria. Wenn ein Freier Ärger macht, tritt sie ihm in die Eier und zwingt ihn zu Boden. Gelernt ist gelernt.

Annette K. Olesen, Jahrgang 1965, zeigt nach ihrem Kinodebüt „Kleine Missgeschicke“ (Wettbewerb, 2002), nach dem Gefängnisdrama „In deinen Händen“ (Wettbewerb, 2004) und „1:1“, ihrer Studie über Ausländergewalt (Panorama, 2006), zum vierten Mal einen Film auf der Berlinale. Fahle Farben, extreme Close ups, unspektakuläre Bilder, cooler Soundtrack, eine trübe Welt – das sind die Markenzeichen der dänischen Regisseurin. Fast ein wenig zu cool geht sie diesmal zu Werke: wohldosiert das Blaugrau der Interieurs, der Himmel immer wolkenverhangen, knapp die Dialoge, anonym und unscheinbar die Kleinstadt, in der Lotte lebt. Was heißt, lebt? Trine Dyrholm – man kennt sie aus „Das Fest“ und als Kindsmörderin aus „In deinen Händen“ – verkörpert eine erstarrte Existenz, ein auf Autopilot geschaltetes Dasein. Eine Soldatin mit blassem Gesicht, großen Augen, blonden Strähnen, gepanzerter Seele. Ist doch egal, wie man aussieht.

Den netten Nachbarn, der ihr eine Geranie schenkt, sie zum Thai-Essen einlädt und aus dem Hausflur aufliest, als sie sich mal wieder zugeschüttet hat, umklammert sie wie einen Feind und will ihn ins Bett zwingen. Nähe geht bei Lotte nur als Kampf. Als der Vater sie nach einem Kneipenabend Huckepack nimmt, schmiegt sie ihr Gesicht an seinen Hinterkopf, zerknautschte Physiognomie, ein todtrauriges Kind. Am Ende liegt sie auch mit dem Vater im Krieg, sie kann nicht aus ihrer Haut, nicht aus ihrer Uniform.

„Lille Soldat“ ist ein monochromer Film, eine präzise Kriegsheimkehrer- Psychostudie, die anders als TV-Filme zum Thema oder als Brigitte Berteles „Nacht vor Augen“, der letztes Jahr im Forum zu sehen war, auf Rückblenden vollständig verzichtet, zum Glück. Lotte hat eine Narbe an der Schulter, der Zuschauer erfährt nicht, was im Irak geschah. Der Krieg ist im Kopf, im Herzen, in Dänemark. Zwischen Vater und Tochter, Zuhältern und Mädchenhändlern, Lotte und den Freiern, Lotte und Lily.

Lily, der schwarzen Edelprostitutierten (Lorna Brown), gelingt es als Einziger, Lotte nahe zu kommen – weil sie ihr ähnelt. Auch sie eine Soldatin, auch von ihr verlangt man körperlichen Einsatz, Selbstentfremdung, Befehlsgehorsam. Bloß dass sie die Waffen der Weiblichkeit einsetzt, während Lotte sich ständig ermannt. Auf Lilys Handy ist ein Filmchen gespeichert, darauf singt die kleine Tochter in Lagos von ihrem Traum, ein Filmstar zu sein. Der Krieg, den Lotte gegen den Vater anzettelt, ist ein Krieg für Lily und deren Kind. Sie wird bluten dafür, aber wenigstens handelt sie auf eigene Order.

Ein Berlinale-Wettbewerb lebt nicht nur von den drei, vier herausragenden Beiträgen, sondern auch vom Mittelbau, von einer Handvoll solider Produktionen. „Lille Sodat“ ist so ein Film. Eindringliches, aufrichtiges Kino.

Heute 9.30 und 15 Uhr (Friedrichstadtpalast), 17.30 Uhr (Urania), 15.2., 12.30 Uhr (Friedrichstadtpalast)

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