zum Hauptinhalt
Dobrygin

© Berlinale

Wettbewerb: Im Zeichen des Bären

Alexei Popogrebsky, der mit "Koktebel" 2003 ein beachtliches Debüt vorgelegt hatte, präsentiert mit "How I Ended this Summer" einen weiteren Film für die Reihe: schweigsame Männer in Extremsituationen.

Schon vor dem Kino geht es so rau zu, wie man es sich bei Russen vorstellt: „Videokamera?“ bellt ein bulliger Typ und zerrt an meiner Handtasche, ein anderer grabscht nach dem Bändchen mit der Akkreditierungskarte um meinen Hals. „Kak ya provel etim letom /How I Ended this Summer“ ist offenbar einer der am besten bewachten Wettbewerbs-Filme. Soll keiner auf die Idee kommen, da unbefugt mitzuschneiden.

Auf der Leinwand dann: russischer Sommer. In Chukotka, der nordöstlichsten Spitze von Russland, fast schon Arktis, gibt es im Sommer Packeis, Schneeberge und schnelle Sonnenauf- und -untergänge. Fast wie im Berliner Winter, nur dass die Russen damit entspannter umgehen. Es sind zwei, ein Alter und ein Junger, die eine Station an der Küste bewachen und alle drei Stunden unendlich lange Zahlenkolonnen per Funk durchgeben. Es geht um radioaktive Strahlenmessungen; seit die Station 1936 gegründet wurde, wurde keine Schicht verpasst. Sagt der Ältere (Sergei Puskepalis). Und verabschiedet sich zwei Tage mit dem Boot in Richtung Lagune, Forellen angeln. Seine Frau schwärmt für Räucherfisch.

Der allein gebliebene Jüngere (Grigory Dobrygin) vertreibt sich seine Zeit. Hüpft über rostige Blechtonnen, von einer zur anderen. Kocht sich einen Eintopf aus Walfischfleisch. Oder übt sich an Ballerspielen, bis die Computer-Figur an radioaktiver Verseuchung stirbt. Das hätte ihm zu denken geben müssen.

Alexei Popogrebsky, der mit „Koktebel“ 2003 ein beachtliches Debüt vorgelegt hatte, präsentiert mit „How I Ended this Summer“ einen weiteren Film für die Reihe: schweigsame Männer in Extremsituationen. Jäger und Gejagte, Paranoia und Gewehre. Wieder verliert ein Mann seine Familie, und der andere ist zu feige, zu eingeschüchtert, es ihm auszurichten. Und steigert sich in einen Verfolgungswahn hinein, der ihn durch Schnee und Eis, über Klippen und durch wütende Brandung treibt und der schließlich in einem Mordattentat mit radioaktiv verseuchtem Forellenfleisch gipfelt. Ein Hubschrauber fliegt vorbei, vielleicht zerschellt er, und auch der Eisbär bleibt nicht aus. Am Ende kommt das rettende Schiff, doch der Ältere will nicht mit. Immerhin: Ein Kaninchen hat überlebt.

Dass überhaupt, nach „Solnze“ 2005, wieder ein russischer Film im Wettbewerb läuft, ist Grund genug zur Freude. Und „How I Ended ...“ kann durchaus bestehen. Es ist eine archaische Story, mit überwältigenden Naturaufnahmen von der arktischen Küste, eine Parabel über Mut und Drückebergertum, Schuld und Vergebung, ein Generationenkonflikt, der sich auf die Gesellschaft ausweiten lässt.

Es ist aber auch erneut ein Film, in dem einsame Männer verzweifelte Dinge tun, und keine Frau in Sicht ist, die der Geschichte etwas Erdung, etwas Farbe, etwas Lebensklugheit zu geben vermag. Muss es denn immer das Ende der Welt sein, und ein Kampf auf Leben und Tod? Jurypräsident Werner Herzog allerdings, der selbst schon „Encounters at the End of the World“ hatte und auch mit Grizzly-Bären vertraut ist, könnte an dieser Extremgeschichte harter Männer durchaus Gefallen finden. Wer weiß, vielleicht reicht es ja für den Goldenen Eisbären.

Heute 15 Uhr (Friedrichstadtpalast), 22.30 Uhr (Urania), 21. 2., 18.15 Uhr (Friedrichstadtpalast)

Nach fünf Jahren der erste russische Film im Wettbewerb – Werner Herzog dürfte er gefallen

Zur Startseite