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Antonio Frasca und Salvatore Striano als Brutus.

© Umberto Montiroli

Wettbewerb: Italien hinter Gittern

Umsturz im Knast: Die Brüder Taviani spielen Shakespeare und mehr: „Cesare deve morire“ im Wettbewerb.

Die wunderbaren Brüder Taviani. Paolo ist kürzlich 80, Vittorio 82 Jahre alt geworden. Vor dreieinhalb Jahrzehnten errangen sie Weltruhm mit ihrem grandiosen Landdrama „Padre padrone“. Die Tavianis stammen aus der Toskana, von dort, wo das fast dialektfreie Schriftitalienisch gesprochen wird. Doch schon in „Padre padrone“ suchten sie Italiens Seele in der Mundart der sardischen Schäfer und Bauern. Und jetzt, ausgerechnet in ihrem Shakespeare-Theater-Film „Caesar muss sterben“ („Cesare deve morire“), zeigen sie die Fülle der Dialekte. Ganz Italien ein eigener Klangkosmos. Ganz Italien – im Gefängnis.

Denn das ist die Hauptpointe dieses kleinen, doch kräftigen Beitrags zum Wettbewerb. Der Film spielt ausschließlich im römischen Rebibbia-Gefängnis, mit echten Gefangenen aus dem ganzen Land. Männer, die dort im Hochsicherheitstrakt zu oft lebenslangen Strafen verurteilt sind. Die Tavianis erzählen, dass sie dort vor einigen Jahren eine Gruppe Häftlinge Dantes „Göttliche Komödie“ rezitieren hörten. Diese trugen Gesänge aus dem „Inferno“ vor, erzählten von Dantes für immer Verdammten: „in der Hölle ihres eigenen Gefängnisses“.

Nun haben die Brüder Taviani dort ihren jüngsten Film gedreht, zusammen mit dem in seiner eigenen Rolle auftretenden Theaterregisseur Fabio Cavalli, der im Rebibbia eine Schauspielgruppe aus Häftlingen leitet, die ab und an im Gefängnis Aufführungen für die Öffentlichkeit präsentiert. Ausgewählt wurde Shakespeares Römerdrama „Julius Caesar“. Die Geschichte einer politischen Intrige, die der Befreiung von einem Diktator gilt und zur Ermordung Caesars führt.

Daraus wird freilich kein Backstage- film, wie es viele gibt, und auch keine Gefängnisdoku. Sondern Faction der besonderen Art. Die in Farbe gefilmten und auf Schwarz-Weiß umkopierten Theaterproben im bleiernen Licht, in der Zementwelt des römischen Gefängnisses, evozieren noch einmal den Stil des „Neoverismo“ von Rosselini, Visconti oder dem frühen Pasolini. Zwar waren die Proben nicht spontan, sie folgen Tavianis Script. Doch sind die Akteure doppelt authentisch. So spielt den Mordverschwörer Cassius der reale Mörder und Lebenslängliche Cosimo Rega.

Der ist ein gutaussehender grauhaariger Mann um die Fünfzig, wie alle „Spieler“ von außergewöhnlicher Präsenz. Einmal wendet er sich mit einem sarkastischen Lächeln zum Regisseur Cavalli, als dieser ungeduldig erscheint: „Fabio, du sagst mir, wir haben keine Zeit. Aber ich bin hier seit zwanzig Jahren!“ Auch der Ruf nach „Freiheit!“ (für Rom) hat hinter den Gittern seinen eigenen Klang. Dabei wurden alle schon beim Casting gebeten, Shakespeare in ihren eigenen Dialekten zu sprechen. Man hört da viel Süditalienisch, Neapolitanisch, aus den Mündern auch von verurteilten Mafiosi. Salvatore Striano als Caesars Mörder Brutus hat schon in der Verfilmung von Savianos „Gomorra“ mitgemacht, er ist nun frei und hier als Schauspieler in seine frühere Zelle zurückgekehrt.
12.2., 18.30 Uhr, 15.2., 12.45 Uhr, 19. 2., 18 Uhr (Haus der Berliner Festspiele)

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