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Wettbewerb: Todeskreis des Krebses

"En familie" aus Dänemark: Pernille Fischer Christensens unaufdringlich-eindringliches Melodram fesselt durch konzentrierte Beobachtung zurückhaltend gespielter Gefühlsreaktionen.

Ein ruhiger, meist sogar sehr stiller Film. Ein anrührender, manchmal auch ergreifender Film. Ein Film über das langsame Sterben. Über den kurzen Moment des Todes. Und am Ende auch: über das Leben, wie es weitergeht und dem Tod und der Trauer trotzt.

Es beginnt mit zwei Glücksnachrichten. Ditte – erfolgreiche Galeristin in Kopenhagen – bekommt einen Traumjob in New York angeboten. Dittes Vater – mit seiner traditionsreichen Bäckerei Hoflieferant der dänischen Königin – erfährt von seinem siegreichen Ringen mit dem Lungenkrebs. Doch bald schon folgen zwei weitere Nachrichten, und schnell ist das Anfangsglück verflogen. Ditte wird schwanger, aber ein Kind ist mit ihrem Job nicht vereinbar – sie wird abtreiben. Und der Krebs des Vaters bricht an anderer Stelle wieder aus – Operation und Heilung sind ausgeschlossen. Mit dieser Wendung verfinstert sich der Film allmählich. Was licht und freundlich beginnt, findet seine Fortsetzung nun häufig in abgedunkelten Innenräumen. Der Tod, der Schattenmann, geht um.

Die 40-jährige dänische Regisseurin Pernille Fischer Christensen – 2006 mit ihrem Spielfilmdebüt „En soap“ im Wettbewerb vertreten und gleich mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet – widersteht der Versuchung, die Filme über das Sterben stets bei Regisseuren auslösen. Diese Versuchung heißt billig erkaufte Sentimentalität und Rührseligkeit durch Emotionsexzess. Christensens unaufdringlich-eindringliches Melodram „En familie“ fesselt stattdessen durch konzentrierte Beobachtung zurückhaltend gespielter Gefühlsreaktionen: Ihre leicht zittrige Kamera lässt nicht ab von der Mimik, den Gesten, den Körperhaltungen der Figuren. Wo andere Regisseure längst „Cut!“ geschrien hätten, verfolgt sie hartnäckig die Gesichter – bis hinein in die feinsten Regungen des Schocks, der Fassungslosigkeit, der Traurigkeit und Trauer.

Ähnlich wie ihre großartige dänische Kollegin Susanne Bier erzeugt Christensen dabei eine klug konstruierte Atmosphäre der Intimität: Die Hintergrundgeräusche bleiben weitgehend ausgeblendet; die Schauspieler flüstern ihre Sätze mehr, als sie zu deklamieren; oft gibt es lange Passagen der Stille innerhalb der Dialoge. Doch diese Stille ist immer höchst beredt – gefüllt mit der eloquenten Sprache der Blicke.

Heute 9.30 und 20.30 Uhr (Friedrichstadtpalast) sowie 22.30 Uhr (International), 21.2., 10 Uhr (Berlinale-Palast)

Julian Hanich

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