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Kultur: Wie man sich bettet

Schinkel (2): Das Altonaer Museum in Hamburg widmet sich seinen Möbelentwürfen

Es gilt immer als etwas gewagt, außerhalb Berlins eine Schinkel-Schau auf die Beine zu stellen, zumal dann, wenn zum ersten Mal in aller Ausführlichkeit ein Aspekt beleuchtet werden soll, der in den bisherigen Ausstellungen stets im Schatten stand. Dieses Wagnis hat nun das Altonaer Museum unternommen. Im Hamburger Jenisch-Haus wird der bedeutendste Baumeister des deutschen Klassizismus erstmals als Designer und Innenarchitekt vorgestellt: „K. F. Schinkel, Möbel und Interieur" dokumentiert mit 35 Entwurfszeichnungen und 15 Möbeln, wie genial Karl Friedrich Schinkel auch mit der „kleinen Form“ umzugehen verstand.

„Das ganze Kunsthandwerk, dieser wichtige Zweig modernen Lebens, ging unter seinem Einfluss einen mächtigem Aufschwung entgegen. Die Tischler und Holzschnitzer schnitzten nach Schinkelschen Mustern, Fayencen und Prozellane wurden schinkelsch geformt, Tücher und Teppiche wurden schinkelsch gewebt. Das Kleinste und das Größte nahm edlere Formen an“, urteilte Theodor Fontane in seinen „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“.

Dessen Enthusiasmus muss sich auf die Ausstellungsmacherinnen unter Leitung von Bärbel Hedinger übertragen haben. Nur selten bekommt man eine so feine, durchdachte und delikate Schau zu Gesicht, zumal eine, die sich derart ideal in das Gebäude einfügt. Der weiße Kaufmanns-Palast am Elbufer. Er wurde zwar von Gustav Forsmann 1831-1834 erbaut, greift aber auf Schinkels Entwürfe zurück. Bauherr Martin Johann Jenisch, damals Präses der Hamburger Baubehörde, war von Forsmann offenbar nicht hundertprozentig überzeugt und hatte den preußischen Oberbaurat Schinkel als Berater hinzugezogen. Ein stilechtes Ambiente also für die rund 100 Zeugnisse großbürgerlicher Wohnkultur zwischen 1800 und 1830, die den Geschmack damaliger Zeit vor Augen führen und Schinkels Entwürfe quasi einbetten.

Karl Friedrich Schinkel war der Architekt der Prinzen und Könige. Er erbaute zahlreiche Residenzschlösser, Wohnsitze und Landhäuser der königlichen Familie in Berlin und Potsdam, gestaltete die Wohnungen des Königspaares Friedrich Wilhelm III. und Luise im Königlichen Palais in Berlin ein (1808) ebenso, wie die Wohnung des Kronprinzenpaars Friedrich Wilhelm (IV) und Elisabeth im Berliner Schloss (1823/26), das Neue Pavillon in Charlottenburg (1824/25) oder den wunderschönen Charlottenhof in Potsdam (1826/27). Seine Karriere begann 1809 mit einem Schlafzimmerinterieur, das der preußische Hof bei dem damals noch völlig unbekannten jungen Künstler in Auftrag gab. Konkret ging es um Betten und Ruhemöbel für Königin Luise, die mit ihrem Gemahl nach dreijährigem Exil in Königsberg und Memel ins Charlottenburger Schloss zurückkehrte.

Drei Jahre zuvor war Napoleon mit 15 000 Mann in Charlottenburg eingerückt und hatte im Schlafzimmer der Königin sein Nachtlager aufgeschlagen. Auch wenn es heute im Bereich der Spekulationen liegt: Unschwer vorzustellen, dass sich die Königin nach dieser unsäglichen Demütigung ein komplett renoviertes Schlafgemach wünschte, in dem ein junger Künstler „mit dem Schwung der Fantasie" seine eigenen Formvorstellungen verwirklichte.

Viele Raumkunstwerke wurden durch den Krieg zerstört. Erhalten aber sind Schinkels wichtigste Entwürfe von Tischen, Betten und Stühlen sowie Aquarelle unbekannter Künstler, die mit fotografischer Genauigkeit den Gesamteindruck der hochherrschaftlichen Einrichtungen fest hielten.

Wie sehr Schinkel in seiner Rolle als Geschmacksbilder und Trendsetter aufging, belegt vor allem ein Stichwerk. Wie heute im Industrie-Design üblich, zeichnete er schon vor knapp 200 Jahren „Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker". Hochinteressant der eine, nur seinen Stühlen gewidmete Ausstellungsraum, in dem sich die Unterschiede zwischen Original und Nachbauten im Vergleich studieren lassen. Isabelle Hofmann

Jenisch-Haus, bis 8. September, Katalog 22 €.

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