Kultur: Wie Michael Naumann und Antje Vollmer ein Forum fur deutsch-tschechische Kultur gründen
Als sich Kulturstaatsminister Michael Naumann und Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer das erste Mal im Kulturausschuss trafen, war das der Beginn einer "magischen Koalition". Da nämlich trat der SPD-Mann auf die Grünen-Abgeordnete mit den Worten zu, man müsse unbedingt etwas für Schloss Janowitz tun - woraufhin seine Gesprächspartnerin den Entwurf für ein kulturelles Zentrum in dem tschechischen Adelssitz aus der Tasche zauberte.
Als sich Kulturstaatsminister Michael Naumann und Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer das erste Mal im Kulturausschuss trafen, war das der Beginn einer "magischen Koalition". Da nämlich trat der SPD-Mann auf die Grünen-Abgeordnete mit den Worten zu, man müsse unbedingt etwas für Schloss Janowitz tun - woraufhin seine Gesprächspartnerin den Entwurf für ein kulturelles Zentrum in dem tschechischen Adelssitz aus der Tasche zauberte. Wenn Naumann von dieser Begegnung berichtet, erhellt ein Lächeln sein Gesicht. Das Lächeln hat eine Geschichte. Sie begann vor 30 Jahren. Damals, es war 1969, schrieb Naumann seine Doktorarbeit - über Karl Kraus. Kraus wiederum war ein Intimfreund der Baronin Sidonie von Nadherny, die Antje Vollmer besonders am Herzen liegt. Auf dem Landsitz der adeligen Literaturfreundin, dem 60 Kilometer südöstlich von Prag gelegenen Schloss Janowitz, schrieb Kraus 1918 "Die letzten Tage der Menschheit". Und nicht nur das: Hier erging er sich in den weitläufigen Gartenanlagen und erholte sich vom Wiener Leben. Mehr noch, hier ging eine ganze Generation europäischer Intellektueller von Rainer Maria Rilke bis Karel Capek ein und aus. 1948 emigrierte Sidonie nach England, wo sie bis zu ihrem Tod lebte.
Vergessen, vorbei. Das herrschaftliche Anwesen fiel an das tschechische Nationalmuseum, und der Salon der Baronin verwaiste. Bis ein Marbacher Literaturwissenschaftler Antje Vollmer davon überzeugte, dass die Baronin in ihre Heimaterde umgebettet werden müsse. Der Grünen-Politikerin, schon damals im deutsch-tschechischen Aussöhnungsprozess engagiert, gelang es tatsächlich, Sidoniens sterbliche Überreste nach Janowitz zurückzuführen. Gleichzeitig reifte die Idee, an diesem kulturgeschichtlich bedeutsamen Ort ein Begegnungszentrum zu schaffen. Eine Idee, die beim Kraus-Spezialisten Naumann auf offene Ohren stieß: Möge der Name Janowitz künftig wie eine "Fackel" die Zukunft der deutsch-tschechischen Freundschaft erhellen!
Also ließ der Kulturstaatsminister kurzerhand seinen tschechischen Kollegen Pavel Dostál zum Gespräch nach Berlin einfliegen und rief die Hauptstadtpresse dazu, damit die Welt es erführe. Freilich war bei dem Tête-à-tête nicht mehr als eine Absichtserklärung herausgekommen. Darin wird einerseits die Einrichtung einer Kommission betreffs Bewältigung organistorisch-juristischer Fragen angekündigt, andererseits die Prüfung möglicher Finanzierungsmodalitäten. Mit anderen Worten: Nichts Genaues weiß man nicht. Auf beharrliches Nachfragen rückte der Minister immerhin damit heraus, er werde aus seinem Etat bis zu eine Million Mark für das Projekt bereitstellen. "Kleine, feine Seminare" sollen veranstaltet und Stipendien für Literaten finanziert werden, ergänzt Antje Vollmer. Und sie schwärmt davon, Janowitz habe das Zeug, zu einer zweiten Villa Massimo zu werden. Allerdings müssten zuvor noch Schloss und Park mit vereinten finanziellen Kräften auf Vordermann gebracht werden.
Dabei gibt Vollmer zu, dass es die gebeutelten Tschechen derzeit große Überwindung koste, ausgerechnet für die Restaurierung einer Gartenanlage viel Geld auszugeben. Also werden wohl noch einige Gesprächsrunden auf Ministerebene nötig sein. Wer weiß, vielleicht gelingt es ja, die zögerlichen Österreicher mit ins Boot zu holen. Viel Manpower für ein symbolisches Projekt. Michael Naumann hat dafür eine schöne Formulierung parat: "Ernsthafte Kulturpolitik muss immer konkret sein. Dann entfalten auch die kleinsten Projekte große Wirkung." Karl Kraus hätte es nicht besser sagen können.