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Bloß ein Imitat aus Plastikplanen. Die Fassade der Schinkelschen Bauakademie.

© Kai-Uwe Heinrich

Wiederaufbau der Bauakademie gefordert: Minimalismus in Backstein

Warum Berlin Schinkels Bauakademie braucht - und weshalb ihr Wiederaufbau schnell beginnen sollte. Ein Beitrag zur Debatte.

Je näher die Fertigstellung des Humboldt-Forums rückt, desto dringlicher wird die Wiedererrichtung des Gebäudes der Bauakademie am Werderschen Markt. Erfreulicherweise vernimmt man nun gewichtige Stimmen, die den Wiederaufbau, der ja längst gesellschaftlicher und politischer Konsens ist, endlich einfordern. Doch man sollte Vorsicht walten lassen, um nicht mit allzu hochgesteckten Erwartungen wieder Zeit zu verlieren und um Jahre zurückgeworfen zu werden.

Die Bauakademie, ein Berliner Architekturmuseum, das war ja die ursprüngliche Vision, als man vor beinahe 20 Jahren zur Überzeugung kam, den Wiederaufbau erst auf der Grundlage eines klaren Nutzungskonzeptes bewerkstelligen zu können. Aus diesem Bestreben ging im Sommer 2002 die Ausstellung „Die Hand des Architekten“ im Alten Museum hervor, getragen und bestückt von den 14 Berliner Institutionen, die über architekturbezogene Sammlungen verfügen.

Baudenkmal als Museum

Ein Architekturmuseum, das war auch die ursprüngliche Idee des Gründungsdirektors der „Internationalen Bauakademie Berlin“, Josef Paul Kleihues. Doch den Beteiligten dieser ersten Ausstellung wurde umgehend klar, dass ein Herauslösen der Architekturbestände aus den jeweiligen Sammlungen nicht infrage kommt, sondern mit der Bauakademie ein zentraler Ort geschaffen werden muss als Plattform der Präsentation, Forschung und Vermittlung von Architektur auf der Basis der reichen Berliner Sammlungsbestände und in intensiver Verknüpfung ihrer Institutionen untereinander.

Je länger man sich mit dem Gedanken befasste, desto charmanter erschien die Idee, mit der Bauakademie nicht noch ein Museum, sondern einen Ort der architektonischen Auseinandersetzung zu errichten. Der Zweck des eingetragenen Vereins der „Internationalen Bauakademie Berlin“ , zu deren Mitgliedern nicht zuletzt diese Institutionen zählen, ist deshalb neben der materiellen und ideellen Förderung des Wiederaufbaus der Bauakademie die „Einrichtung eines Kompetenzzentrums zur Erforschung und Verbreitung von Erkenntnissen aus dem Bereich der europäischen und außereuropäischen Architektur, des innovativen Bauens und der Stadtentwicklung im internationalen Vergleich.“

Selbstverständlich ist damit auch der Anspruch verbunden, gesellschaftliches Interesse zu wecken, zunächst in Berlin selbst, für Fragestellungen der Architektur und des Bauens. Damit sind wir ganz bei Schinkel, der sich mit der stereotypen rhetorischen Frage „Wer wird nicht...?“ an den unvoreingenommenen Betrachter wandte und an die menschliche Empfindsamkeit. Schinkel, den nicht wenige vereinnahmen wollen für ihren Fortschritt, steht für das Aushalten der Zerreißprobe zwischen Zeitgeist und Metier, zwischen „Laissez Faire“ und Stadt, zwischen technischer Dynamik und Baukultur. Die Spannung wird nur aushalten, wer einerseits in seinem Metier verankert ist und andererseits ein Sensorium für gesellschaftliche Nuancen entwickelt.

Fortschritt als Gefahr

Wir leiden ja heute nicht unter einem Mangel an Ideen, sondern unter dem Verlust professionellen Wissens, das sich auf Erfahrung stützt. Dem damit einhergehenden Risiko beizukommen durch eine Flut von Normen, Richtlinien und Gebrauchsanweisungen, die wiederum eine Vielzahl von Gutachtern, Sachverständigen und Beratern auf den Plan rufen, erweist sich zusehends als Sackgasse, weshalb wir uns nicht selten in der Situation des Zauberlehrlings sehen, dem die Kräfte, die er rief, entglitten sind.

Wir verfolgen also ganz bewusst nicht nur eine kunstgeschichtliche Betrachtung der Architektur, die immer dazu neigt, auf das „fortschrittliche“ Neue hinauszuwollen, sondern auch eine gleichsam handwerkliche. Wenn auch das Bauen sich weitgehend industrieller Fertigung verdankt, wird daraus doch ohne handwerkliches Denken keine Architektur. Als Schinkel aus England zurückkommt, wo er die Fabrikgebäude „ganz ohne Architektur“ gesehen hat, stellt er deshalb die Bauakademie hin als architektonisches Minimalprogramm. Schinkel holt den Backstein unter dem barocken Putz hervor, brennt ihn präzise und fügt ihn sorgfältig. Damit wird er zum Vorbild der Architekten des frühen 20. Jahrhunderts, allen voran Mies van der Rohes, der sich Schinkels Lehre bewusst ist: Jedes seiner Häuser ist ein tektonisch gegliedertes Ganzes, aus natürlichen Materialien gefügt und von großem Atem.

Auch die Architektur folgt nicht geradewegs den Launen des Zeitgeistes, sie gerät hin und wieder ins Stocken, verläuft manchmal recht holprig, und es passiert sogar, dass sie sich an etwas längst ad acta Gelegtes erinnert, das zum Ausgangspunkt eines vollkommen neuen architektonischen Ideals wird, wie das in der Renaissance geschah und eben auch im frühen 19. Jahrhundert, der Zeit Schinkels. Bisweilen dem vermeintlich Fortschrittlichen zu misstrauen, könnte ein Anliegen der Bauakademie im Schinkelschen Geiste sein, mit scharfem Blick auf die Verhältnisse und großer Gelassenheit in Erwartung des geschichtlichen Urteils.

Die private Schule der Internationalen Bauakademie Berlin wäre ein Denkraum außerhalb des Hochschulbetriebes, der die Brücke zwischen Theorie und Praxis schlägt und dabei sich der Gesellschaft öffnet und in sie zurückwirkt. Wie zu Schinkels Zeiten könnte sich für diese Architekturschule jeder bewerben, ohne Rücksicht auf Alter und Herkunft. Entscheidende Voraussetzungen wären herausragende Begabung und brennendes Interesse. Die Absolventen erhalten am Ende des Studiums ein Zertifikat, das ihnen die Türen öffnet zu allen architekturbezogenen Aufgaben.

Diskurs als Auftrag

Erinnern wir uns an die Sommerschulen der späten siebziger Jahre, die eine kontroverse Architekturdebatte ausgelöst haben, um wenig später eine Fortsetzung zu finden in den frühen Projekten der Internationalen Bauausstellung Berlin (IBA). Weder aus der Bauverwaltung heraus noch aus den berufsständischen Verbänden und schon gar nicht aus den Hochschulen wäre eine solche Dynamik denkbar gewesen, die aus dem Konflikt zwischen architekturtheoretischer Selbstvergewisserung und städtebaulich-architektonischem Unvermögen hervorgegangen ist und daraus nicht nur einen kreativen Funken geschlagen hat, sondern architektonische und städtebauliche Resultate zutage gefördert hat, die weltweit mit größter Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen wurden und heute eine tragfähige Basis liefern für zukünftige Schritte. Die Zeit ist reif für eine Internationale Bauausstellung, und die Bauakademie wäre der prädestinierte Ort für etwas, was heute in Vergessenheit geraten ist, eine Gesprächskultur zu städtebaulichen und architektonischen Fragen.

Damit ist eine Programmatik umrissen, die den Schwerpunkt von einer musealen Ausrichtung verschiebt hin zu einer des Diskurses innerhalb des Metiers einerseits und im intensiven Austausch mit der Stadtgesellschaft zum anderen. Weder mit den rührenden Bauakademie- Weihnachtskalendern, die ein Förderverein jährlich verschickt, noch mit der Hoffnung, die Berliner Sammlungsbestände zur Architektur in einem Museum zu vereinen, wird man dem Ziel nahe kommen, die Bauakademie umgehend zu errichten und mit Leben zu füllen.

Das Land Berlin hat der Internationalen Bauakademie Berlin das Grundstück zur Verfügung gestellt, die mit dem Senat abgestimmte Planung liegt vor, der Bauantrag wurde genehmigt. Der Vertrag mit einem mäzenatischen Investor scheiterte bisher an Besonderheiten des europäischen Vergaberechts. Die Optionen liegen auf der Hand: Entweder das Land Berlin übernimmt die Finanzierung oder es ebnet einem Investor den Weg, das Gebäude der Bauakademie Karl Friedrich Schinkels auf der Basis seit Langem ausgehandelter Konditionen zu errichten.

Hans Kollhoff ist Architekt und Präsident des Vereins Internationale Bauakademie Berlin.

Hans Kollhoff

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