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Kultur: Wies’ngründe

Johannes Brunner verfilmt das „Oktoberfest“

Der ergreifendste Moment ist der, als das das Oktoberfest endlich Oktoberfeststimmung verbreitet: Ein italienischer Tourist steigt zur Bierzelt-Kapelle hoch und überredet den Kapellmeister, Verdi anzustimmen. Inbrünstig schmettert der Italiener die Freiheitshymne, schließlich geht es darum, eine Hamburgerin im Dirndl zu verführen. Und auf einmal beginnt dieser sonst so schwerfällige Film zu fliegen. Die Kamera hebt ab und gleitet schwebend unter dem Bierzeltdach entlang. Ein Panorama berauschter Euphorie. Man versteht, warum das weltgrößte Volksfest mehr ist als ein tagelanger Vollrausch.

Va pensiero: Vielleicht hätte Regisseur Johannes Brunner seinen Gedanken häufiger freien Flug lassen sollen. Er hat ja Recht, wenn er die Eindrucksfülle mit einem Episoden-Schema in den Griff zu bekommen versucht. Aber in seinem Vollständigkeitswillen begeht der Debütant Brunner einen Fehler: Er vergisst, den Zuschauer hineinzuzerren ins Menschengewühl, ihn auf der Achterbahn in die Tiefe stürzen und im Rausch der Bierzelte untergehen zu lassen. Stattdessen hält er die Kamera auf die Wiesn wie Heinz Sielmann auf eine Expedition ins Tierreich.

Abgesehen von den tanzenden Afrikanern und den japanischen Touristen, die nach einer halben Maß Bier unterm Tisch liegen, drängt sich auch Brunners Arbeit mit den Schauspielern störend in den Vordergrund. Peter Lohmeyer einen lohmeyernden Lehrer auf Abwegen spielen zu lassen – eine mäßig überzeugende Idee. Barbara Rudnik ist als stramme Kellnerin unterfordert. Und auf Christoph Luser, der an den Münchner Kammerspielen als Hamlet gefeiert wird und hier ein traumatisiertes Terroropfer darzustellen versucht – ein Prosit des Vergessens.

In Berlin im Cinemaxx Potsdamer Platz, Kino in der Kulturbrauerei, Neue Kant Kinos.

Julian Hanich

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