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Spurensuche in Amerika. Der Detektiv Micah Macrobius, Protagonist von Wilhelm Bartsch neuem Roman "Amerikatz" sucht in den USA nach einem Ex-Stasi-General.

© AFP

Wilhelm Bartsch: "Amerikatz": Thrillerschwurbel und Weisheiten

Karl May meets Thomas Pynchon: Wilhelm Bartsch verknüpft in seinem neuen Roman „Amerikatz“ alles mit allem.

Wie nötig wäre bei einem Buch wie diesem ein Lesebändchen. Zumal bei knapp 400 Seiten, deren Stofffluten als „lustvoller Abgesang auf das Zeitalter der Informationsüberflutung“ angepriesen werden und dem bald schweißnassen Leser einen Tsunami an Namen, Geschehnissen, Einfällen, Wendungen (sprachlichen wie überraschenden) zumuten. „Was ich doch schon alles über Sie und Ihre Geschichten gehört habe, Micah!“, heißt es einmal. „ Schreiben Sie’s endlich mal auf! – Es gibt schon genug Aufgeschriebenes, sage ich.– Ich lese nur sehr gut Aufgeschriebenes, sagte Kandida.“ Nun, wir lesen hier nicht nur sehr gutes, sondern vor allem sehr viel Aufgeschriebenes.

Allein, es ist zu befürchten, dass auch kein Gürtel oder Tau bändigen würden, was in Wilhelm Bartschs Roman „Amerikatz“ auseinanderstrebt. Micah Macrobius, Enkel eines Armeniers, ist „ein ziemlich absonderlicher Detektiv“ und „im Herzen ein Bungeespringer“, Spezialist für das Aufspüren Verschwundener. Diesmal soll er den in den USA abgetauchten Sohn eines Ex-Stasi-Generals suchen. Jan Untied respektive Unzeit ist Lyriker und, ehe er in einen gefütterten Umschlag passt, mit der titelgebenden Landart-Künstlerin Amerikatz verbandelt, an der wiederum der düstere, unsichtbare Milliardär Deodat Mason Interesse hat, wie naturgemäß auch die NSA ins Spiel kommt.

DDRlerinnen und Native Americans

Aber was kommt hier nicht ins Spiel? Lustvoll ausgemalte Patchwork-Leben ehemaliger DDRlerinnen beiderlei Geschlechts zumal, Reservate von Native Americans wie New York, der Kaukasus, Iran (beinahe), Venedig, ebenso wie das geschlossene Hotel Bogota in der Berliner Schlüterstraße und die Buchhandlung Knesebeck 11 (Lesung dort mithin garantiert!). Wikipedia und Google Maps nicht zu vergessen! Auch nicht den heißgeliebten Ossip Mandelstam und Bartschs schöne Übersetzung von dessen Wagenlenker.

Gelernter Rinderzüchter. Der Lyriker und Erzähler Wilhelm Bartsch.
Gelernter Rinderzüchter. Der Lyriker und Erzähler Wilhelm Bartsch.

© Norbert Kaltwasser/Osburg Verlag

Wilhelm Bartsch, 1950 in Eberswalde geboren, hat relativ spät in der DDR als Lyriker debütiert und erst jüngst historische und zeitgeschichtlich gesättigte Romane geschrieben. „Meckels Messerzüge“ (2011) erzählte von dem Anatomen Philipp Friedrich Theodor Meckel, „Das bisschen Zeug zur Ewigkeit“ (2013) von pädophilen Morden in der DDR. Sprachmächtige, literarisch beeindruckend dichte Romane. Dieser hier nun wirkt vor allem überdreht.

Ein Buch wie ein Riesenrad

Karl May meets (oder wie Micah wohl schreiben würde: meats) Thomas Pynchon. Höheres und niederes Indianerspiel, Verfolgung und Paranoia, Gott und die Welt, Osten und Westen. Das letale Tetrodotoxin des Fugu-Fischs ebenso wie Drachenteppichweber, Maulbeerwodka oder Hot Dog nur mit Senf bei Nathans’s. Thrillerschwurbel neben Weisheiten, Bramarbasierendes neben feiner literarischer Hommage. Nein, dies ist wirklich nicht die „philosophische Weltdeutungsparabel“, als die der Verlag das Werk bewirbt, aber zweifellos ein Riesenrad voller unverhoffter Aussichten, gepaart mit einer Achterbahn an rasanten Einfällen.

Wilhelm Bartsch: Amerikatz. Roman. Osburg Verlag, Hamburg 2015. 393 Seiten, 22 Euro.

Erhard Schütz

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