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Wilhelm Busch: Im Doppelpack

Mit gleich zwei Ausstellungen feiert das Wilhelm-Busch-Museum in Hannover den 175. Geburtstag des vielseitigen satirischen Zeichners.

Hannover - Die Schau "Avantgardist aus Wiedensahl" zeigt von Sonntag an, wie modern der Künstler war, der die meiste Zeit seines Lebens in der niedersächsischen Provinz verbrachte: Wilhelm Busch (1832-1908) gilt als Urvater des amerikanischen Comics. Max und Moritz' Lausbubenstreiche sind sogar Vorbild für Walt Disneys frühe Zeichentrickfilme. Die zweite Ausstellung "So viel Busch wie nie" verdeutlicht, dass Busch auch als Landschaftsmaler seiner Zeit voraus war. In seinem Spätwerk erreichte er Vorstufen der Abstraktion.

Selbst Mickey Mouse hat von Max und Moritz gelernt

In Walt Disneys frühem Zeichentrickfilm "Steam Boat Willy" schleudert Mickey eine Katze am Schwanz durch die Luft und reißt einer säugenden Sau die Ferkel von den Zitzen. Im Vergleich zu den Streichen von Max und Moritz, die Lehrer Lämpel explodieren und Schneider Böck beinahe ertrinken lassen, ist das noch harmlos. Doch die Komik funktioniert nach dem gleichen Prinzip - der Betrachter lacht und ist gleichzeitig erschrocken über die eigene Schadenfreude.

Das hannoversche Wilhelm-Busch-Museum präsentiert von Sonntag an Ausschnitte aus Buschs Bildergeschichten auf großen Leuchttafeln, daneben flimmern Walt Disneys frühe Filme. Die Ausstellung "Avantgardist aus Wiedensahl" zeigt (bis 18. November) sehr anschaulich, wie der Schöpfer von Max und Moritz Comiczeichner in New York und Filmemacher in Hollywood beeinflusst hat. Wilhelm Busch (1832-1908), dessen 175. Geburtstag am 15. April bevorsteht, zeichnete filmisch, als an die Erfindung des Kinos noch gar nicht zu denken war.

Kritik der biedermeierlichen Gemütlichkeit

Auch sein Menschenbild war höchst modern. "Busch stellt in seiner Kunst nicht das Wahre, Schöne, Gute dar, sondern das Böse, Falsche, Hässliche", erläutert der Direktor des Wilhelm-Busch-Museums, Hans Joachim Neyer. Nach Buschs Überzeugung ist der Mensch ein triebgesteuertes Wesen und damit den Tieren nicht überlegen. So freut sich Klein-Fritz in einem Gedicht aus dem Band "Kritik des Herzens" keineswegs über die Geburt seines kleinen Brüderchens. Sein Kommentar: "Ich hol'n dicken Stein und schmeiß ihn an den Kopp!" Busch nimmt die Spießbürger aufs Korn - scheinheilige Moralapostel, Eheleute, die sich heimlich prügeln oder selbst ernannte Dichter, die in freier Natur auf den Kuss der Muse warten und denen dann in den Illustrationen doch nur ein Vogel auf ihre Dichtung scheißt.

Die Besucher der Ausstellung können Wilhelm Busch mit allen Sinnen erfahren. In den drei mittleren Räumen sind Szenen aus der kaum bekannten Erzählung "Eduards Traum" dargestellt. Es ist ein wenig beklemmend, durch einen weißen Vorhang die dunklen Fantasieräume zu betreten. Im Jahr 1891, als das Prosawerk entstand, war Humor offenbar kein Mittel mehr für den Künstler, ihn plagten Todesgedanken und er rätselte über die Möglichkeit der Wiedergeburt.

Der Comic-Pionier als Landschaftsmaler

Die zweite Ausstellung "So viel Busch wie nie" zeigt (bis 3. Juni) eine weniger bekannte Seite des Vaters des modernen Comics. Nur wenige Verwandte wussten, dass er Landschaften malte. "Als er sicher war, von den Tantiemen seiner Bildergeschichten leben zu können, konzentrierte sich Busch ganz aufs Malen", sagt Neyer. Die Motive fand er in seiner niedersächsischen Heimat, in der er die meiste Zeit seines Lebens verbrachte. Die Bilder zeigen immer wieder das Bückeburger Land und den Vorharz, darunter sind Bauern mit Kühen auf der Weide, Mühlen, Kopfweiden sowie einige Wirtshausszenen.

In den 1890er Jahren wurden die Bilder kleiner. Die Motive auf diesen Miniaturen verschwimmen. Die leuchtenden Farben erinnern an die Expressionisten, die erst im folgenden Jahrhundert die Kunst revolutionieren sollten. Der pessimistische Eigenbrötler aus der niedersächsischen Provinz war eben immer seiner Zeit ein wenig voraus.

Zu den Ausstellungen ist der gemeinsame Katalog "Pessimist mit Schmetterling. Wilhelm Busch - Maler, Zeichner, Dichter, Denker" erschienen. (Von Christina Sticht, dpa)

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