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Kultur: Willkommen im Weinberg

Erstes Konzert nach dem Brand: Das DSO spielt in der Berliner Philharmonie

Selbst Kosmopoliten kennen diesen Moment: Man kommt nach Hause, dreht den Schlüssel im Schloss, betritt die vertrauten Räume – und fühlt sich geborgen. Genau so ging es den Besuchern der Berliner Philharmonie am Montag beim ersten Konzert nach dem Brand von Hans Scharouns Jahrhundertbauwerk am 20. Mai.

Die Professionalität, mit der die Orchester in Windeseile Ausweichspielstätten organisierten, hat beeindruckt, die Tour extra muros von der Waldbühne bis zum Flughafen-Hangar war zumindest atmosphärisch anregend. Vor allem zeigte sie, welches Glück der Philharmonie innewohnt, diesem zutiefst demokratischen Saal mit seiner architektonischen Landschaft, in der die Ränge wie Weinberge aus dem Talkessel der Bühne aufsteigen.

Dass die Berliner Philharmoniker als Hausherren jetzt nicht auf ihrem Recht der ersten Nacht beharrten, zeigt, wie sehr die Spitzenmusiker Scharouns Geist verinnerlicht haben. Laut Kalender war am ersten möglichen Spieltag das Deutsche Symphonie-Orchester dran, bevor ab Donnerstag Mariss Jansons mit den Philharmonikern auftritt. Die Kollegen bekamen den Vortritt für ihre Reihe „Debüt im Deutschlandradio“. Das hat seine innere Logik, denn das 1959 unter dem Namen „RIAS stellt vor“ gestartete Nachwuchsförderprogramm verhalf nicht nur Daniel Barenboim, Cecilia Bartoli oder Jewgenij Kissin zu ersten Berlin-Auftritten, sondern auch dem aktuellen Philharmoniker-Chef sowie seinem Vorgänger: 1963 begeisterte Claudio Abbado das Publikum, 1976 dann stellte sich Simon Rattle in der Mauerstadt vor.

Gleich vier Jungstars traten am Montag zum „Debüt im Deutschlandradio“ an. Während Sophia Jaffé aus Berlin und der Brite Guy Johnston in Brahms’ Doppelkonzert für Violine und Violoncello nicht recht zum Dialog finden, weder untereinander noch mit dem Orchester, explodiert Shirley Brill geradezu vor Mitteilungsdrang. Spektakulär, wie die 26-jährige Israelin in Webers 1. Klarinettenkonzert mit äußerster interpretatorischer Entschlossenheit und langem Atem die melodischen Linien modelliert.

Als souveräner Organisator erweist sich der slowakische Dirigent Juraj Valcuha bei den Solo-Konzerten wie in Mendelssohns „Hebriden“-Ouvertüre. Präzise steuert er das Orchester auch durch Richard Strauss’ „Don Juan“, zeigt zwar wenig Tiefgang, aber um so mehr kapellmeisterliches Gespür für Effekte. Die Musiker des DSO jedenfalls haben hörbar Spaß mit dem Verführer. Frederik Hanssen

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