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Kultur: Wimmelbilder

Julie Delpys „Familientreffen mit Hindernissen“.

Ein Sommertag am Meer, eine Familienfeier, drei Generationen: Zwischen diesen Koordinaten verortet die umtriebige Julie Delpy, kaum dass hierzulande ihr „2 Tage New York“ gestartet ist, ihren allerneuesten, heiter-melancholischen Film. Sein hervorstechendstes Merkmal ist ein riesiges Ensemble. Selbst Großfamilienprofis dürften bei dem Cast, der unter vielen anderen Aure Atika, Noémie Lvovsky, Bernadette Lafont, Emmanuelle Riva, Karin Viard sowie die Regisseurin selbst in fröhlichem, lautstarkem Gewusel vereint, Mühe haben, die Protagonisten auseinanderzuhalten.

Die Figuren stehen für allerlei politische Haltungen – zur Emanzipation, zur Todesstrafe, zu vergangenen Kriegen, zur Fremdenlegion und zu Algerien –, die mit Vorliebe im Suff kontrovers diskutiert werden. Dabei sorgen unterschiedliche Lebensentwürfe, sexuelle Anzüglichkeiten und Übergriffe – ohne die geht es im französischen Selbstbild nicht – für einigen Zündstoff im Verwandtenclan. Der gewählte historische Hintergrund der siebziger Jahre hat allerdings bloßen Ausstellungscharakter: Das Jahrzehnt fungiert als Setzkasten, dem die Regisseurin zwecks Herstellung von Atmosphäre willkürlich Möbel, Kleidungsstücke oder Fahrzeuge entnimmt. Die Elemente stehen disparat nebeneinander wie Souvenirs: pittoresk, redundant und letztlich bedeutungslos.

All das bildet den Rahmen für eine kleine, harmlose Geschichte vom Erwachsenwerden. Die etwa elfjährige Albertine (Lou Alvarez) verliebt sich zum ersten Mal und erlebt gleich massiv die dazugehörigen Schmerzen, während Eltern, Tanten und Onkel ihren üblichen Rollen gemäß streiten und flirten, tratschen und schimpfen.

Die entscheidenden Momente dieser Verliebtheit hat Julie Delpy allerdings furios inszeniert. In Zeitlupe nimmt ihre kleine Heldin das Auftauchen des hübschen, blond gelockten Objekts der Begierde am Strand wahr. Als der Nachbarssohn, in einer Hand eine Harpune, aus dem Meer auftaucht, gleicht er einem jungen Gott; und als er später in der Dorfdisco mit ihr tanzt, verschwimmt die Welt um sie herum. Anrührend in ihrer Unbeholfenheit ist Albertine in diesen wenigen filmischen Augenblicken, die mit eigener Wucht das Ende der Kindheit markieren. Daniela Sannwald

Adria, Delphi, International, Kulturbrauerei, Passage

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