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Kultur: „Wir sind die Mutmacher“

Hortensia Völckers, Chefin der Bundeskulturstiftung, über Rausch, Fleiß – und eine geplatzte Fusion

Frau Völckers, die Fusion der Kulturstiftungen des Bundes und der Länder ist gescheitert, jedenfalls für diese Legislaturperiode. Schadet das Ihrer Arbeit?

Beide Stiftungen arbeiten längst ganz pragmatisch an gemeinsamen Projekten. Wir verstehen uns wunderbar, das hat sich gut eingespielt. Es bleibt vorerst dabei: Der Sachverstand verteilt sich auf zwei getrennte Stiftungen, aber das Geld für gemeinsame Projekte kommt hauptsächlich von uns. Auf Dauer ist das für alle Teile unbefriedigend. Deshalb war die Idee der Fusion richtig.

Bei ihrer Gründung 2002 war die Bundeskulturstiftung umstritten. Sind Sie im fünften Jahr in ruhigen Gewässern?

Die Stiftung ist akzeptierter. In der Anfangszeit ging es darum zu begreifen, mit welchen Programmen und Themen man kulturpolitisch eine Setzung vornehmen kann. Der Tanzplan, das Netzwerk Neue Musik oder das Restaurierungsprogramm sind dafür gute Beispiele: Da geht es darum, etwas für die Förderung einer Sparte als Ganze zu tun, weniger um einzelne herausragende Projekte.

Wie sieht das konkret aus?

Der Bund kann zum Beispiel nicht flächendeckend alle zeitgenössischen Tanzszenen in Deutschland fördern. Aber die Kulturstiftung kann mit dem Tanzplan Deutschland am Beispiel von zehn Städten zeigen, wie neue Formen der Produktion, der Kooperation oder der Finanzierung entwickelt werden können. Es geht auch darum, das Selbstbewusstsein der Kommunen so zu stärken, dass die ganze Stadt hinter so einem Projekt steht. Wenn es uns gelingt, eine Stimmung von „es geht ja doch“ aufzubauen, dann hat das einen ungeheuer belebenden Effekt. Auch finanziell: Auf einen Euro, den wir in die Projekte stecken, kommen doppelt so viel von anderer Seite. Wir sind nicht nur Geldgeber, sondern auch so etwas wie ein Fundraiser für die Kultur. Und vor allem sind wir Mutmacher.

Sie können keine längerfristigen Zusagen machen. Fürchten Sie nicht, dass das, was Sie mit aufbauen, nach Ihrer Förderung wieder zusammenbricht?

Wichtig ist, dass keine Wüste entsteht, wenn wir wieder aus der Förderung rausgehen. Eine hundertprozentige Förderung für langfristige Projekte ist in der Tat ein Problem. Es war eine Illusion zu glauben, dass solche Projekte nach Auslaufen unserer Förderung komplett von anderen Geldgebern, öffentlichen oder privaten, übernommen werden. Wir hatten da am Anfang übertriebene Erwartungen.

Die Stiftung startete mit der Maßgabe, Gegenwartskultur zu fördern. Nun kommen große kulturhistorische Ausstellungen hinzu. Ein Zugeständnis an die Politik, die sich repräsentativere Projekte wünscht?

Gegenwartskunst ist immer noch ein deutlicher Schwerpunkt. Aber ich will in der Tat versuchen, die rigide Grenze zwischen Gegenwart und Vergangenheit aufzubrechen, weil man sonst den Blick auf das kulturelle Erbe verliert. Wir haben uns geöffnet für Projekte zur Restaurierung, zu kultureller Bildung, für kulturwissenschaftliche und -historische Ausstellungen. Solche Vorhaben sind finanziell aufwendig, wenn man sie etwa an mehreren Orten zeigen will. Was die Politik und ihren Einfluss angeht: Wir haben uns schon immer an „repräsentativen“ Ereignissen wie dem Einstein-Jahr oder dem Schiller-Jubiläum beteiligt. Wenn die Politik erwartet, dass wir auch Projekte von weithin sichtbarer Ausstrahlung fördern, stimme ich dem völlig zu.

Kulturgeschichtliches fördern: Wo ist der Unterschied zur Arbeit von Museen?

Die Frage ist: Wie retten wir das Erbe? Es geht dabei nicht allein um Erhalt oder Erweiterung von Sammlungsbeständen, sondern um eine vitale und breite Nutzung des kulturellen Erbes. Wie schafft man neue Zugangsmöglichkeiten, wie weckt man Interesse gerade bei jungen Menschen? Die individuellen und sozialen Voraussetzungen ändern sich und werden insgesamt eher schlechter. Gerade im Bereich der kulturellen Bildung muss die Gesellschaft flexibler und fantasievoller werden. Hier werden wir uns deutlicher als bisher positionieren.

Trägt die Politik diese Umorientierung mit? Ist nicht gerade bei der Bildung Widerstand von Seiten der Länder zu erwarten?

Unser Kontakt zur Politik ist sehr gut, aber es ist auch viel Überzeugungsarbeit zu leisten. Wir entwickeln unsere Programme mit dem Stiftungsrat, einem politisch besetzten Gremium. Auch mit den Ländern läuft es gut. Wir setzen mit ihnen Projekte um, die meist einmalige Akzente setzen. Auf kommunaler Ebene gibt es die schönsten Projekte: Engagierte Schulen in Problembezirken, wo die Migrantenkinder fantastisch Deutsch sprechen. Gruppen von schwervermittelbaren Jugendlichen, die Theater spielen und danach Arbeit finden. Ich würde mir wünschen, dass solche Modellprojekte übernommen und ausgeweitet würden – und dafür Geld zur Verfügung gestellt wird. Die großen Themen Integration, Bildung und Europa: Das sind alles auch Geldfragen.

Bedeutet das eine Umorientierung der Bundeskulturstiftung weg von der Hochkultur hin zur kulturellen Basis?

Darin sehe ich in der Tat immer mehr unsere Aufgabe. Der Schwerpunkt – auch mein persönliches Interesse – hat sich verlagert. Die Brisanz liegt nicht in den prestigeträchtigen Leuchtturmprojekten. Ich finde Anstrengungen im Bereich der Vermittlung heute tendenziell wichtiger. Eins ist auch klar: Für die Kulturstiftung des Bundes kann die Förderung ambitionierter zeitgenössischer Kunstproduktion nur ein Bereich neben anderen sein. Es gibt ungeheuer viel Kunst und Kultur in diesem Land, aber die Frage ist doch, wen erreicht sie? Wenn wir zum Beispiel ein Programm zum Thema Arbeit machen, dann nicht hauptsächlich für die, die intellektuell oder politisch damit sowieso dauernd in Berührung sind.

Sie plädieren dafür, dass die Stiftung sich aus der Kunstförderung zurückzieht?

Überhaupt nicht. Aktuelle Kunstproduktion, Bildung, Vermittlung und Aneignung des kulturellen Erbes schließen sich ja nicht aus. Im Gegenteil: Erst wenn sie zusammenkommen, entwickelt sich Kultur. Jetzt aber sind mir Projekte, die einen Dialog in der Breite anstoßen, besonders wichtig. Dem Hygiene-Museum in Dresden zum Beispiel gelingt das. Auch die Stadtmuseen könnten mehr Breitenwirkung haben, aber die sind vielerorts eingeschlafen. Die jungen Menschen gehen da einmal mit der Schulklasse hin, und das war es dann. Hier würde ich mich gern verstärkt engagieren.

Ist die Förderung von Großprojekten dann überhaupt noch sinnvoll? Könnte man anderswo nicht mit dem gleichen Geld mehr bewirken?

Gemeine Frage. Wie könnte gerade ich auf die Documenta verzichten wollen? Aber mal ein anderes Beispiel: Das Berliner Theatertreffen wird in Gänze von uns finanziert. Ich habe mir hundert Mal die Frage gestellt, ob das unbedingt Sache der Kulturstiftung des Bundes ist. Aber wo wäre denn dieses Theaterereignis mit den besten deutschsprachigen Theaterproduktionen eines Jahres besser aufgehoben als bei uns? Es geht auch um Kontinuität. Da gibt es eine Allianz sozusagen auf Bewährung.

Befürchten Sie denn Kürzungen von Seiten der Politik? Wie stark ist Ihr Rückhalt im Bundeskanzleramt?

Ich muss auf meiner Position die Stiftung schützen. Denn wir sind keine Kapital-, sondern eine Zuwendungsstiftung, das macht uns verletzlich. Im Grunde müssen wir uns jedes Jahr wieder beweisen. Fast 38 Millionen Euro sind viel Geld. Und natürlich gibt es immer Begehrlichkeiten. Je mehr Menschen davon überzeugt sind, dass sie diese Stiftung brauchen und dass wir sinnvolle Arbeit leisten, in desto ruhigeres Fahrwasser kommen wir.

Frau Völckers, Sie sagten einmal, länger als fünf Jahre machen Sie keinen Job. Mittlerweile sind Sie in Ihrem Amt für weitere fünf Jahre ab 2007 bestätigt worden.

Es gibt ja immer eine zweite Runde, auch in Beziehungen. Diese Runden sind schwierig, aber entscheidend. Die erste Phase ist die des Rausches und der Idealisierung, danach kommt die Konsolidierung. Diese Phase hat auch ihren Reiz, sie erfordert Fleiß und Beharrungsvermögen. Das sind Eigenschaften, deren Erfolg man erst nach längerer Zeit erntet.

– Das Gespräch führte Christina Tilmann.

Hortensia Völckers , 1957 in Buenos Aires geboren, ist Direktorin der im März 2002 gegründeten Kulturstiftung des Bundes. Ihr Vertrag wurde nun für fünf weitere Jahre verlängert. Zuvor war Völckers unter anderem Direktorin der Wiener Festwochen und persönliche Referentin der DocumentaChefin Cathérine David.

Zweck der Kulturstiftung mit Sitz in Halle ist die Kunst- und Kulturförderung, ein Schwerpunkt soll laut Satzung „die Förderung innovativer Programme und Projekte im internationalen Kontext“ sein. Das Jahresbudget beträgt 38 Millionen Euro. Vorsitzender des Stiftungsrats ist Kulturstaatsminister Bernd Neumann.

Die Kulturstiftung

der Länder unter Leitung von Isabel Pfeiffer- Poensgen hat ihren Sitz in Berlin. Der Jahresetat beträgt 8,5 Mio Euro. Die von Bernd Neumann zu Beginn seiner Amtszeit versprochene und bereits von seinen

Amtsvorgängern angestrebte Fusion der zwei Stiftungen ist in

dieser Woche erneut

geplatzt.

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