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Kultur: Wir sind Volkswagen

Eine

von Peter von Becker

Wenn Volkswagen ins Gerede gerät, dann ist die Geschichte um die jüngsten Korruptionsvorwürfe auch ein Stück deutscher Geschichte. Mit mehr Symboltracht, Milieu und Mentalitätsgehalt als bei jedem anderen Unternehmen. Krupp stand mal für den kanonenbewehrten Wilhelminismus. Volkswagen steht für den leichtmetalligeren Fortschritt, obwohl der Anstifter ein eiserner Gewaltmensch war. Hitler schuf die Autobahn und schenkte den Deutschen zum Autofahr’n ihren Volkskraftwagen.

Was der Historiker Götz Aly als Volkswohlfahrt des NS-Staats beschreibt, liegt auch dem 1937/38 in der „Stadt des KdF-Wagens“ eröffneten VW-Werk zu Grunde. Kraft und Kraftfahrt durch Freude, ein Wagen fürs Volk. Ganz unvölkisch und demokratisch sollte das auch nach 1945 gelten, als der VW-Käfer zum deutschen Weltmarkenzeichen wurde. Noch als Aktiengesellschaft – mit starkem Staatsanteil plus volksnaher Streuung der Anteile – verkörpert VW eine für Deutschland einmalige Symbiose aus wirtschaftlicher und politischer Macht, aus Provinzialität und Weltruhm, aus sozialen Sehnsüchtigen und wirtschaftswunderlichen Verstrickungen. Wir sind nicht Papst. Aber Volkswagen sind wir schon.

Und nicht unfehlbar. Dass auch hier der Name Hartz (in aller Unschuldsvermutung) mit im Spiel ist, muss als Zufall gelten. Der Rest jedoch hat auf vielen realen und symbolischen Ebenen Signifikanz. Der Verdacht der Korruption, soweit es um internationale Scheinfirmen und verdeckte Geldströme geht, betrifft dabei eher die grauen Randzonen eines (jeden?) Global Players. Im Inneren des großen Werks aber heften sich die Verdächtigungen ausgerechnet an die arbeitsmarktpolitisch so vorbildlich geltenden Übereinkünfte zwischen Management und Mitarbeitern.

Aus Kooperation wird plötzlich anrüchige Korporation, die wiederum der von VW als hunderttausendköpfigem Gemeinwesen beispielhaft verkörperten Volkswohlfahrt dienen sollte. Verdiensteinbußen statt Entlassungen, flexiblere Arbeitsverträge – in deutscher Tradition als von oben erkaufte, nicht von unten erstrittene Minirevolutionen? Erkauft, das wäre die gefällige Pointe bei einem Autokonzern, durch Lustreisen und Spritztouren für den Betriebsrat? Bevor diese Fragen beantwortet sind, scheint immerhin das schon klar: Es wächst gegen manchen Rat der Trieb zum Größeren, Reicheren, Unbescheideneren, gerade im kleinbürgerlichen VW-Milieu.

Schon der Name des Käfer-Nachfolgers war ein (harmloses) Indiz. Ein Golf- Kunde dürfte vor 30 Jahren höchstens ein Minigolfer gewesen sein, der Volkssport hält sich auf den großen Greens bis heute in Grenzen. Und der noch kleinere VW, mit noch weniger Pferdestärken, heißt: Polo. Diese Mischung aus Kompensation und Suggestion hat lange funktioniert. Bis der Golf zu teuer wurde und der Phaeton sich als Phantom im Luxusklassenkampf erwies. Eben kein Volkswagen. Kein Motor des Mythos. Jetzt aber kommt der Revisor nach Wolfsburg, der schwarzen Schafe und der roten Zahlen wegen. In Deutschland passt das heuer. Ungeheuer.

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